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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Weihnachtsgeld trotz Kündigung?

Weihnachtsgeld trotz Kündigung?

Auch nur geringfügige Abweichungen im Arbeitsvertrag zu den tarifvertraglichen Regelungen führen dazu, dass hinsichtlich der Regelung für eine Sonderzahlung, für die im Arbeitsvertrag auch auf den Manteltarifvertrag verwiesen wird, die Privilegierung des § 310 Abs. 4 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht gilt. Denn nur die uneingeschränkte Verweisung führt zu einer derartigen Privilegierung.

Eine Mitarbeiterin war seit dem 1.12.2022 zu einer Bruttomonatsgrundvergütung i.H.v. 4.630 EUR bei einer Arbeitgeberin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung der Mitarbeiterin vom 26.09.2023 zum 31.12.2023. In dem Arbeitsvertrag war u.a. die Zahlung von Weihnachts-, Urlaubsgeld oder sonstigen Sonderzahlungen geregelt, die sich nach dem Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe (MTV) in der jeweils gültigen Fassung richten sollten. Die Regelung zu Sonderzahlungen im MTV in § 3 Ziffer 3. Abs. 1 lautete wie folgt:

„Angestellte, deren Monatsbezüge das höchste im Gehaltstarifvertrag gelregelte Monatsgehalt zuzüglich Verantwortungszulage -und, sofern die/der Angestellte Anspruch auf Schichtzulage hat, die Schichtzulage – nicht um mehr als 10% übersteigen, erhalten im letzten Quartal des Kalenderjahres eine Sonderzahlung in Höhe von 80% ihres Bruttomonatsgehalts. (…)

Angestellte deren Arbeitsverhältnis im Auszahlungszeitpunkt beendet ist, haben keinen Anspruch – auch nicht anteilig – auf die Sonderzahlung. Gleiches gilt für Angestellte, die in einem gekündigten Arbeitsverhältnis stehen, außer im Falle betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung. Pensionierung, auch wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, gilt nicht als Kündigung.“

Die Mitarbeiterin erhielt keine Sonderzahlung. Mit Schreiben vom 20.12.2023 verlangte sie die Weihnachtsgeldzahlung. Sie war der Ansicht, dass die Stichtagsregelung unwirksam sei, da es sich allenfalls um eine Sonderzahlung mit Mischcharakter handele. Es liege keine Gesamtverweisung auf einen Tarifvertrag vor, eine Teilverweisung genüge nicht für die Privilegierung des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB. Jedenfalls verstoße die Bezugnahmeregelung gegen das Transparenzgebot. Die Arbeitgeberin ging darauf nicht ein. Sie war der Auffassung, dass kein Anspruch auf Zahlung bestehe, da die Mitarbeiterin die Voraussetzungen aufgrund ihrer Kündigung nicht erfülle.

Das Arbeitsgericht gab der Klage auf Sonderzahlung i.H.v. 3.704 EUR statt.

Die Mitarbeiterin hatte gegen die Arbeitgeberin Anspruch auf die Sonderzahlung gem. § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 08.11.2022 i.V.m. dem § 3 Ziffer 3 des Manteltarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe.

Zwar hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Inhaltskontrolle von Arbeitsvertragsklauseln bei vollständiger Inbezugnahme eines Tarifvertrages nicht zu erfolgen. Beschränkt sich die Inbezugnahme jedoch auf einzelne Vorschriften eines Tarifvertrags, entfällt die durch § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB erzeugte Privilegierung. Ob dies auch gilt, wenn die tarifvertragliche Regelung abgrenzbare Sachbereiche vollständig übernommen hat, ist umstritten. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 22.01.2004 (Az. VII ZR 419/02) entschieden, dass grundsätzlich jede inhaltliche Abweichung von der VOB/B einen Eingriff in deren Ausgewogenheit und damit eine Störung des von ihr beabsichtigten Interessenausgleichs darstelle. Andernfalls sei die im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen notwendige Transparenz nicht zu gewährleisten.

Die von der Arbeitgeberin vorgenommene Verweisung führte nicht zur Privilegierung des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB. Sie konnte sich nicht darauf berufen, den Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe vollumfänglich in Bezug zu nehmen. Eine solche Regelung war im Arbeitsvertrag gerade nicht getroffen worden. Im Arbeitsvertrag waren nur wenige geringfügige Abweichungen zu den tarifvertraglichen Regelungen, betreffend die Kündigungsfrist in der Probezeit und den Verfall von Ansprüchen. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts führten diese – wenn auch nur geringfügigen – Abweichungen jedoch dazu, dass hinsichtlich der Regelung für die Sonderzahlung, für die auch auf den Manteltarifvertrag verwiesen wurde, die Privilegierung des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht galt. Denn nur die uneingeschränkte Verweisung führt zu einer derartigen Privilegierung. Eine solche lag hier aber gerade nicht vor.

§ 3 Ziffer 3 MVT war somit als arbeitsvertragliche Vereinbarung einer Klauselkontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB zu unterziehen und benachteiligte die Mitarbeiterin unangemessen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann eine Sonderzahlung, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Eine derartige Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB. Sie steht im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB, indem sie dem Arbeitnehmer bereits erarbeitetes Entgelt entzieht. Sie verkürzt außerdem in nicht zu rechtfertigender Weise die nach Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers, weil sie die Ausübung seines Kündigungsrechts unzulässig erschwert (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18.01.2012, Az. 10 AZR 612/10). Dies gilt selbst dann, wenn der Stichtag innerhalb des Bezugsjahres liegt und die Sonderzahlung (auch) Arbeitsleistung abgelten soll, die in dem Zeitraum vor dem Stichtag erbracht wurde.

Urteil des Arbeitsgerichts München vom 11.07.2024

Aktenzeichen: 25 Ca 707/24