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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder

Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder

Nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) haben Mitglieder des Betriebsrats Anspruch auf Erhöhung ihres Arbeitsentgelts in dem Umfang, in dem das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung steigt (§ 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG). Für das Vorliegen der Voraussetzungen dieses Anspruchs ist grundsätzlich das Betriebsratsmitglied darlegungs- und beweisbelastet. Korrigiert der Arbeitgeber eine mitgeteilte und gewährte Vergütungserhöhung, die sich für das Betriebsratsmitglied als Anpassung seines Entgelts entsprechend § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG darstellen durfte, hat der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass die Vergütungserhöhung objektiv fehlerhaft war.

Ein Mitarbeiter war seit 1984 als Anlagenführer bei einer Automobilherstellerin beschäftigt und wurde nach den einschlägigen (firmen-)tarifvertraglichen Regelungen entsprechend der sog. Entgeltstufe (ES) 13 vergütet. Seit 2002 war er Mitglied des Betriebsrats und von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt. Anfang 2003 teilte die Arbeitgeberin dem Mitarbeiter mit, sein Arbeitsentgelt werde entsprechend der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung gem. § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG der ES 14 angepasst. In der Folgezeit erhielt der Mitarbeiter ähnlich lautende Anpassungsmitteilungen hinsichtlich der jeweils nächsthöheren Entgeltstufe und bezog ab 01.01.2015 eine Vergütung nach ES 20. Im Oktober 2015 wurde ihm eine freie Stelle als Fertigungskoordinator angetragen, für die er intern als „Idealbesetzung“ galt. Aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit bewarb sich der Mitarbeiter nicht.

Im Nachgang zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.01.2023 betreffend die Untreuestrafbarkeit wegen überhöhter Betriebsratsvergütung (Az. 6 StR 133/22) überprüfte die Arbeitgeberin die Vergütungen freigestellter Betriebsratsmitglieder. Bei dem Mitarbeiter erachtete sie eine Vergütung nach ES 18 als zutreffend und forderte für Oktober 2022 bis Januar 2023 die über die ES 18 hinaus gezahlte Vergütung zurück. Im Februar 2023 erhielt der Mitarbeiter Entgelt nach ES 17, seit März 2023 auf Grundlage von ES 18.

Der Mitarbeiter klagte gegen die Arbeitgeberin auf Zahlung der Vergütungsdifferenzen, den zurückgezahlten Betrag sowie die Feststellung der Verpflichtung der Arbeitgeberin, das Arbeitsverhältnis ab dem 01.01.2015 nach den jeweils geltenden tarifvertraglichen und betrieblichen Regelungen für Beschäftigte in der ES 20 durchzuführen. Er hat sich neben den Anpassungsmitteilungen der Arbeitgeberin auch darauf berufen, eine Vergütung nach ES 20 entspreche seiner hypothetischen Karriere zu einer Tätigkeit als Fertigungskoordinator.

Das Arbeitsgericht gab der Klage des Mitarbeiters statt und verurteilte die Arbeitgeberin entsprechend. Auf die Berufung der Arbeitgeberin gab auch das Landesarbeitsgericht den Zahlungsanträgen des Mitarbeiters im Wesentlichen statt und entsprach auch dem Feststellungsantrag – allerdings erst ab 01.01.2016. Das Landesarbeitsgericht meinte, der Mitarbeiter habe zwar keinen Anspruch auf Vergütung nach ES 20 gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG (Vergütungsanpassung), wohl aber nach § 78 Satz 2 BetrVG i.V.m. § 611a Abs. 2 Bürgerlicher Gesetzbuch – BGB (fiktiver Beförderungsanspruch).

Auf die Revision der Arbeitgeberin hob das Bundesarbeitsgericht das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf und verwies die Sache dorthin zurück.

Ob die Zahlungsanträge des Mitarbeiters begründet sind, konnte das Bundesarbeitsgericht nicht abschließend beurteilen. Das Landesarbeitsgericht hatte bei dem hauptsächlich zur Entscheidung gestellten Anpassungsanspruch nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG die Darlegungs- und Beweislast bei dem Mitarbeiter gesehen. Ermittelt jedoch – wie vorliegend – der Arbeitgeber eine für das Betriebsratsmitglied ersichtlich auf § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG gestützte Vergütungsanpassung, teilt diese dem (freigestellten) Betriebsratsmitglied mit und zahlt eine dementsprechende Vergütung, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast für deren objektive Fehlerhaftigkeit, wenn er im Nachhinein die Bemessung des Arbeitsentgelts korrigiert.

Erst wenn die Arbeitgeberin die Fehlerhaftigkeit der Vergütungsanpassung darzulegen und ggf. zu beweisen vermag, wird das Landesarbeitsgericht über die Zahlungsanträge aufgrund des hilfsweise erhobenen Anspruchs des Mitarbeiters infolge des Verbots einer Benachteiligung bei seiner beruflichen Entwicklung zu befinden haben. Aus § 78 Satz 2 BetrVG kann sich i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB ein unmittelbarer Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf eine bestimmte Vergütung ergeben, wenn sich die Zahlung einer geringeren Vergütung als Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds wegen seiner Betriebsratstätigkeit darstellt. Dieser bildet einen eigenständigen prozessualen Anspruch (Streitgegenstand); § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG enthält insoweit keine abschließende Regelung über die Höhe des Arbeitsentgelts des Amtsträgers. Diese Maßgabe ist mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10.01.2023 (6 StR 133/22) nicht in Frage gestellt.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.03.2025

Aktenzeichen: 7 AZR 46/24