Vereinbarungen über Rückzahlung von Studienkosten
Die Auszubildende hat den Ausbildungsteil im Juni 2021 abgeschlossen. Im August 2021 kündigte sie den Ausbildungs- und Studienvertrag zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Im September 2021 forderte die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen die Auszubildende erfolglos auf, die Ausbildungskosten in Höhe von 8.122 EUR zu erstatten. Die Arbeitgeberin vertrat die Auffassung, die Auszubildend sei gem. § 9 Abs. 2 Buchst. b des Ausbildungs- und Studienvertrags zur Erstattung der Studienkosten verpflichtet. Die Auszubildende war der Ansicht, die Erstattungsregelung benachteilige sie unangemessen und sei deshalb gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht hatten die Zahlungsklage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Arbeitgeberin blieb vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos.
Die im Ausbildungs- und Studienvertrag getroffenen Abreden unterlagen der Kontrolle anhand der § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB stand dem nicht entgegen. Soweit die Arbeitgeberin die Ansicht vertreten hatte, es fehle an einer Abweichung von Rechtsvorschriften, da die Regelung in § 18 Abs. 2 Buchst. b TVSöD gemäß § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB einer gesetzlichen Regelung gleichstehe, hatte sie übersehen, dass zum für die AGB-Prüfung maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 08.03.2018 eine tarifvertragliche Regelung nicht existierte. Der TVSöD war ausweislich seines § 21 Abs. 1 erst mit Wirkung zum 01.08.2020 in Kraft getreten.
Die Regelung in § 9 Abs. 2 Buchst. b des Ausbildungs- und Studienvertrags, die den Auszubildenden mit den Kosten des dualen Studiums belastet, wenn er das Arbeitsverhältnis kündigt, ohne dass ein wichtiger Grund vorliegt, benachteiligte ihn entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Vertragspartners, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Verwenders gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 05.09.2023, Az. 9 AZR 350/22).
Vereinbarungen über die Beteiligung des Vertragspartners an den Kosten einer vom Verwender finanzierten Ausbildung benachteiligen den Vertragspartner zwar nicht generell unangemessen. Sie können jedoch im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen. So ist es nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Vertragspartners zu knüpfen. Vielmehr muss nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens unterschieden werden (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 01.03.2022, Az. 9 AZR 260/21). Verpflichtet eine Klausel den Vertragspartner auch in den Fällen zur Erstattung von Schulungskosten, in denen der Grund für die Eigenkündigung aus der Sphäre des Verwenders stammt, liegt hierin eine unangemessene Benachteiligung (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.01.2024, Az. 9 AZR 115/23).
Infolgedessen differenzierte § 9 Abs. 2 Buchst. b hier nicht hinreichend. Die Regelung sah eine Erstattungspflicht auch in den Fällen vor, in denen der Vertragspartner das Vertragsverhältnis aus einem Grund kündigt, den der Verwender zu verantworten hat. Der in die Rückzahlungsklausel aufgenommene Ausnahmetatbestand, dem zufolge die Rückzahlungsverpflichtung (nur) bei Vorliegen eines wichtigen Grundes entfällt, ist zu eng, da sie nur Gründe i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB, nicht aber andere Gründe ausnimmt, die in der Sphäre des Verwenders angesiedelt sind. Dies gilt insbesondere für den nicht fernliegenden Fall, dass die Beendigung des Vertragsverhältnisses durch ein vertragswidriges Verhalten des Verwenders veranlasst wurde, das zwar nicht die Schwere eines wichtigen Grundes erreicht, dem Vertragspartner aber das Festhalten am Vertrag unzumutbar macht.