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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Vereinbarung über Ruhegeld ist auch bei auffälligem Leistungsmissverhältnis nicht zwangsläufig nichtig

Vereinbarung über Ruhegeld ist auch bei auffälligem Leistungsmissverhältnis nicht zwangsläufig nichtig

Für eine vorsätzliche Verletzung seiner gegenüber dem Arbeitgeber bestehenden Vermögensbetreuungspflicht muss der Täter die rechtlichen Wertungen in seiner Laiensphäre nachvollzogen haben und hierbei Verletzungen zumindest billigend in Kauf genommen haben. Vor dem Hintergrund eingeholter Gutachten und des Mitwirkens eines Wirtschaftsprüfers bei Vertragsabschluss darf davon ausgegangen werden, dass kein Straftatbestand der Untreue verwirklicht wurde. Allein ein auffälliges Leistungsmissverhältnis als solches reicht nicht für eine Sittenwidrigkeit aus.

Der heute 68-jährige Kläger war seit 1981 zunächst als Dozent, ab 1991 als stellvertretender Geschäftsführer und ab 1994 als Geschäftsführer bei dem Arbeitgeber, einem eingetragenen Verein, beschäftigt. Sein jährliches Bruttogehalt betrug zuletzt 327.210 EUR. Zweck des Arbeitgebers ist die Förderung der schulischen Bildung, der Aus- und Weiterbildung sowie der hochschulischen Lehre und Forschung. Dem Vorstand obliegt die unbeschränkte Geschäftsführung und Vertretung des Vereins. Gem. § 14 Ziffer 2 der Satzung darf der Verein keine Person durch Verwaltungsausgaben, die dem Zweck des Vereins fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigen.

Am 21.11.2000 hatten die Parteien eine Vereinbarung zur Altersversorgung getroffen. Gem. § 5 beträgt das Ruhegeld des Klägers danach 10% der rentenfähigen Bezüge gem. § 6 zzgl. 2,5% der rentenfähigen Bezüge für jedes nach dem 01.07.1981 geleistete volle Jahr der Firmenzugehörigkeit bis zum Höchstbetrag von insgesamt 56% der rentenfähigen Bezüge. Das Arbeitsverhältnis endete nach zwei ordentlichen Kündigungen sowie einer außerordentlichen und fristlosen Kündigung durch einen arbeitsgerichtlichen Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht Hamm vom 23.07.2008. In diesem hieß es in Ziffer 6:

„§ 5 Abs. 1 des zwischen den Parteien unter dem 21.11.2000 geschlossenen Vertrages wird insoweit geändert, dass für die Zeit bis zur Vollendung des 63. Lebensjahrs des Klägers der anzuwendende Prozentsatz 42,233% statt 56% beträgt. Damit beträgt die Höhe des als Übergangsgeld geschuldeten Ruhegeldes 7.000 EUR brutto ab dem 01.01.2008. Ab Vollendung des 63. Lebensjahres entfällt die Absenkung des Prozentsatzes des Ruhegeldes.“

Zuletzt für März 2023 zahlte der Arbeitgeber an den Kläger ein monatliches Ruhegeld von 11.805,45 EUR brutto. Seit April 2023 leistet er keine Ruhegeldzahlungen mehr. Der Arbeitgeber war der Ansicht, die Versorgungszusage stelle sich in materieller Hinsicht als unüblich dar. Die Höhe des Vergütungspakets des Klägers sei mit dem Selbstlosigkeitserfordernis des gemeinnützigen Beklagten nicht in Einklang zu bringen.

Das Arbeitsgericht gab der auf Zahlung und Weiterzahlung des Ruhegeldes gerichteten Klage vollumfänglich statt.

Der Kläger hat gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Zahlung eines monatlichen Ruhegeldes seit April 2023 i.H.v. 11.805 EUR brutto nebst Zinsen für die bis einschließlich September 2023 nicht geleisteten Zahlungen.

Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitgebers war die Vereinbarung der Parteien über eine betriebliche Altersvorsorge des Klägers nicht nichtig. Die Unwirksamkeit der Vereinbarung ergab sich nicht aus § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 266 Strafgesetzbuch (StGB). Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, dass gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, wenn sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt. Erforderlich war somit für die Feststellung der Nichtigkeit, dass vorliegend auch der Kläger Untreue gegenüber dem Arbeitgeber bezweckte. Daran fehlte es vorliegend allerdings.

Für eine vorsätzliche Verletzung seiner gegenüber dem Arbeitgeber bestehenden Vermögensbetreuungspflicht muss der Täter die rechtlichen Wertungen in seiner Laiensphäre nachvollzogen haben und hierbei Verletzungen zumindest billigend in Kauf genommen haben. Bloß weil der Täter alle Umstände kennt, muss er sie noch lange nicht zutreffend rechtlich bewerten. Wer von der Rechtmäßigkeit seines Handelns ausgeht, handelt, auch im Fall grob fahrlässiger Fehlbeurteilung, nicht vorsätzlich. So stellte es sich vorliegend dar, wobei offenbleiben konnte, ob es sich um einen Fall grob fahrlässiger Fehlbeurteilung handelte.

Zu berücksichtigen war, dass der ehemalige Wirtschaftsprüfer des Arbeitgebers Vorstandsmitglied war zu dem Zeitpunkt als der streitgegenständliche Vertrag abgeschlossen worden war. Vor dem Hintergrund der eingeholten Gutachten und des Mitwirkens des ehemaligen Wirtschaftsprüfers bei Vertragsabschluss durfte der Kläger davon ausgehen, dass kein Straftatbestand verwirklicht wurde. Umstände, die im Gegensatz auf ein vorsätzliches Verhalten des Klägers schließen ließen, lagen nicht vor.

Der zwischen den Parteien am 21.11.2000 geschlossene Vertrag war bei einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck auch nicht gem. § 138 Abs. 1 BGB wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig. Der Kläger wurde finanziell gegen ein Arbeitsplatzrisiko abgesichert. Ein besonders grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung war nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht ein auffälliges Leistungsmissverhältnis als solches nicht für die Annahme von Sittenwidrigkeit aus.

Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 12.10.2023

Aktenzeichen: 1 Ca 434/23