Vereinbarung über den Verzicht von Urlaub oder Urlaubsabgeltung ist unwirksam
Am 24.03.2023 übersandte die Arbeitgeberin dem Mitarbeiter einen Vergleichsentwurf. Darin war u.a. aufgeführt, dass die Urlaubsansprüche des Mitarbeiters in natura gewährt worden seien. Mit Schreiben vom 29.03.2023 teilte die Prozessbevollmächtigte des Mitarbeiters mit, dass ihr Mandant mit dem Vergleichsvorschlag einverstanden sei und fügte hinzu:
„Ich weise an dieser Stelle auf die erheblichen Bedenken meines Mandanten im Hinblick auf den Vergleichsschluss und die diesseitig, zuletzt mit Schreiben vom 28.3.2023, geäußerte Rechtsauffassung hinweisen.“
Den Vergleichstext reichte die Vertreterin des Mitarbeiters bei Gericht ein. Die Arbeitgeberin stimmte zu, woraufhin der Vergleich am 31.03.2023 gerichtlich festgestellt wurde. Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses konnte der Mitarbeiter aufgrund fortbestehender Arbeitsunfähigkeit keinen Urlaub mehr nehmen. Am 12.06.2023 machte der Mitarbeiter gegenüber der Arbeitgeberin Urlaubsabgeltung i.H.v. 1.615 EUR geltend. Er war der Ansicht, auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch als unabdingbaren Anspruch habe er im Rahmen des Vergleichs nicht verzichtet, so dass der Mindesturlaub im Umfang von sieben Tagen für das Jahr 2023 abzugelten sei. Die Arbeitgeberin hielt dagegen, dass der Mitarbeiter auf gesetzliche und übergesetzliche Urlaubs(abgeltungs)ansprüche verzichtet habe.
Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Das Landesarbeitsgericht wies die hiergegen gerichtete Berufung der Arbeitgeberin zurück.
Der Urlaubsanspruch des Mitarbeiters für das Jahr 2023 war nicht durch Erfüllung untergegangen. Unstreitig hatte der Mitarbeiter im Jahr 2023 keinen Urlaub genommen. Der Urlaubsanspruch war auch nicht durch den Prozessvergleich vom 31.03.2023 erloschen. Darin hatten die Parteien zwar festgehalten, dass die Urlaubsansprüche des Mitarbeiters in natura gewährt worden seien. Die Vereinbarung hatte den Urlaubsanspruch des Mitarbeiters aber nicht durch einen Tatsachenvergleich i.S.v. § 779 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Erlöschen gebracht. Ein Tatsachenvergleich setzt nach § 779 BGB voraus, dass eine bestehende Ungewissheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs durch gegenseitiges Nachgeben ausgeräumt werden soll. Zwischen den Parteien bestand jedoch zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses kein Streit über die Anzahl der wegen der anhaltenden Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters im Jahr 2023 noch nicht gewährten und damit noch offenen Urlaubstage. Insofern lag in der Vereinbarung kein zulässiger Tatsachenvergleich.
Die Vereinbarung hatte den gesetzlichen Urlaubsanspruch des Mitarbeiters für 2023 auch nicht durch einen Verzicht i.S.d. § 397 Abs. 1 BGB zum Erlöschen gebracht. Nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG kann abgesehen von § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG von den Bestimmungen dieses Bundesurlaubsgesetzes nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Der Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 BUrlG ist gem. § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG damit unverzichtbar. Der gesetzliche Schutzzweck des § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrIG würde verfehlt, wenn der Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung während des Arbeitsverhältnisses durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien ausgeschlossen oder beschränkt werden könnte. Etwas anders gilt auch nicht dann, wenn das bevorstehende Ende des Arbeitsverhältnisses mit dem Abschluss der einschränkenden Vereinbarung verbindlich feststeht.