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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Unberechtigte Eignungsuntersuchung durch Arbeitgeber

Unberechtigte Eignungsuntersuchung durch Arbeitgeber

Will ein Arbeitgeber die Beschäftigung eines Arbeitnehmers von dessen gesundheitlicher Eignung abhängig machen, so hat er die Kriterien, die zu einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen sollen, genau festzulegen. Die Klausel muss die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für den Arbeitgeber keine unangemessenen Beurteilungsspielräume bleiben.

Ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hatte eine Stelle als Schießstandwart in einem Bildungszentrum ausgeschrieben. In der Stellenausschreibung hieß es unter dem Punkt „Diese Qualifikation bringen Sie mit:“ u.a. „gesundheitliche und körperliche Eignung (insbesondere keine ärztlichen Einschränkungen hinsichtlich der Fähigkeit, schwere Gegenstände zu heben oder zu bewegen).“ Am 01.2.2023 hatte der Arbeitgeber mit dem damals knapp 50-jährigen Mitarbeiter „vorbehaltlich der Feststellung der gesundheitlichen Eignung“ einen Formulararbeitsvertrag abgeschlossen. Danach wurde der Mitarbeiter auf unbestimmte Zeit als Vollbeschäftigter mit einer Probezeit von sechs Monaten und einem monatlichen Gesamtbruttogehalt von 2.475 EUR eingestellt. Noch vor Durchführung einer gesundheitlichen Untersuchung trat der Mitarbeiter seinen Dienst an. Er erbrachte seine Arbeit in der Folgezeit beanstandungsfrei und hatte keinerlei Fehlzeiten.

Mit Schreiben vom 25.04.2023 wurde dem Mitarbeiter mitgeteilt, dass er sich am 16.05.2023 beim Polizeiärztlichen Dienst zu einer „Einstellungsuntersuchung gem. § 3 Abs. 5 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L)“ einfinden soll. Im Rahmen der Untersuchung erfolgte eine Blutentnahme. Am 26.05.2023 wurde dem Arbeitgeber das Ergebnis der Untersuchung mitgeteilt, wonach keine gesundheitliche Eignung für die Einstellung für die Tätigkeit als Schießstandwart bestünde. Am 08.06.2023 fand ein Personalgespräch mit dem Mitarbeiter statt, indem ihm das Ergebnis der Untersuchung und die Folgen erläutert wurden. Im Gesprächsprotokoll hieß es dazu: „Da er sich noch in der Probezeit befindet und auf Basis der auflösenden Bedingung des Arbeitsvertrages (Vorbehalt der gesundheitlichen Eignung) wird er fristgerecht in der Probezeit entlassen.“

Der Mitarbeiter war der Ansicht, der im Arbeitsvertrag vereinbarte „Vorbehalt“ sei nicht wirksam. Er könne auch keine Rechtsgrundlage für die vom Arbeitgeber geforderte und durchgeführte Untersuchung und Verletzung der körperlichen Integrität darstellen. Die gesundheitliche Nichteignung des Mitarbeiters sei wegen vorübergehend erhöhter Leberwerte zu Unrecht angenommen worden. Der Arbeitgeber behauptete, bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrages am 01.02.2023 durch den Mitarbeiter habe ein Angestellter der Personalverwaltung bei ihm einen alkoholischen Geruch und glasigen Blick festgestellt. Hiernach liege eine in der Person des Mitarbeiters begründete Veranlassung für eine ärztliche Untersuchung vor.

Die Kündigungsschutzklage des Mitarbeiters beim Arbeitsgericht war erfolgreich.

Das Arbeitsverhältnis war nicht durch den im Arbeitsvertrag vereinbarten „Vorbehalt der Feststellung der gesundheitlichen Eignung“ aufgelöst worden, denn der Vorbehalt war nicht wirksam vereinbart worden.

Bei der streitgegenständlichen Klausel in der Präambel des Arbeitsvertrages handelte es sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Bestimmung, die als Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. §§ 305 Abs. 1, 310 Bürgerliches Gesetzbich (BGB) anzusehen ist und einer Inhaltskontrolle unterliegt. Die Klausel verstieß nach Auffassung des Gerichts gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach ist eine Vertragsklausel wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam, wenn die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Will ein Arbeitgeber die Beschäftigung eines Arbeitnehmers von dessen gesundheitlicher Eignung abhängig machen, so hat er die Kriterien, die zu einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen sollen, genau festzulegen. Die Klausel muss die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für den Arbeitgeber keine unangemessenen Beurteilungsspielräume bleiben.

Die vorliegende Klausel war aber in mehrfacher Hinsicht nicht klar formuliert. Unklar war, was genau mit „vorbehaltlich“ gemeint ist. Obwohl die Klausel wie eine aufschiebende Bedingung formuliert war, hatte der Arbeitgeber den Beginn des Arbeitsverhältnisses offenbar nicht von dem Ausgang der Einstellungsuntersuchung abhängig machen wollen. Hier könnten Unsicherheiten darüber bestehen, ob der „Vorbehalt“ überhaupt noch gilt, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit gleichwohl antreten durfte. Problematisch ist insbesondere aber auch, dass der Arbeitgeber weder deutlich gemacht hatte, wann – wenn schon nicht vor dem Arbeitsbeginn – die Untersuchung stattfinden soll, noch durch wen die Feststellung der gesundheitlichen Eignung erbracht werden kann. Zudem ist unklar, welchen Umfang und welche Eingriffsintensität die Untersuchung haben soll.

Außerdem war die die Kündigung gem. § 138 Abs.1 BGB unwirksam, da sie allein auf dem Ergebnis einer unberechtigten Untersuchung des Mitarbeiters beruhte. Eine Einstellungsuntersuchung war nicht wirksam vereinbart worden und hätte deshalb nicht durchgeführt werden dürfen. Es wurde auch keine Einstellungsuntersuchung durchgeführt, denn zum Zeitpunkt der Untersuchung am 16.05.2023 war der Mitarbeiter schon mehrere Monate für den Arbeitgeber tätig. Allein auf das Ergebnis dieser unberechtigten Untersuchung stützte der Arbeitgeber die Kündigung in der Probezeit. Die vermeintliche gesundheitliche Nichteignung kam bei der unbeanstandeten Aufgabenerfüllung durch den Mitarbeiter jedoch nicht zum Tragen.

Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 25.10.2023

Aktenzeichen: 6 Ca 592/23