Tarifvertragliche Jahressonderzahlung: Stichtagsregelung zulässig
Der Mitarbeiter kündigte sein Arbeitverhältnis mit Wirkung zum 31.08.2023. Er war der Ansicht, dass er die volle Jahressonderzahlung für 2023, zumindest aber 8/12, beanspruchen könne. Soweit die Auszahlung gem. § 15 MTV mit dem Novemberentgelt erfolge, handele es sich lediglich um eine Fälligkeitsregelung. Die tarifvertragliche Jahressonderzahlung diene nicht allein dazu, Betriebstreue zu honorieren, sondern stelle auch Entgelt für die erbrachte Arbeitsleistung dar.
Die Arbeitgeberin verweigerte die Jahressonderzahlung, da das Arbeitsverhältnis bereits im August geendet habe. Eine Jahressonderzahlung sei nur zu gewähren, wenn das Arbeitsverhältnis zum Auszahlungszeitpunkt noch bestehe. Aus der tarifvertraglichen Regelung für das Eintrittsjahr ergebe sich im Umkehrschluss, dass im Austrittsjahr gerade keine Zahlung zu leisten sei. Die Jahressonderzahlung solle nur betriebstreuen Mitarbeitern zugutekommen. Der Mitarbeiter erhob Zahlungsklage.
Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht wies die hiergegen gerichtete Berufung des Mitarbeiters zurück. Der Mitarbeiter hatte keinen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung für das Jahr 2023 aus § 15 MTV.
Sind Sonderzuwendungen nur für Zeiten zu zahlen, in denen ein Vergütungsanspruch besteht, zeigt das, dass es sich um Vergütung für geleistete Arbeit handelt. Setzt die Zahlung einer Sonderzuwendung den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag, etwa am 01.12. eines Jahres, voraus, dient diese auch dazu, die Betriebstreue in dem zu Ende gehenden Jahr zu honorieren. Darüber hinaus sollen die Arbeitnehmer durch die Jahressonderzahlung auch für die Zukunft zu reger und engagierter Mitarbeit motiviert werden (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 08.09.2021, Az. 10 AZR 322/19).
Tarifvertragliche Stichtagsregelungen sind grundsätzlich zulässig. Die Differenzierung zwischen Arbeitnehmern, die vor dem Stichtag ausscheiden, und Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis am Stichtag noch besteht, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die unterschiedliche Behandlung ist sachlich gerechtfertigt, sofern die Jahressonderzahlung auch bezweckt, Betriebstreue zu belohnen und die Arbeitnehmer für die Zukunft zu reger und engagierter Mitarbeit zu motivieren. Bei bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmern kann die Jahressonderzahlung diesen Zweck nicht mehr erfüllen.
Nach § 15 Satz 1 MTV erhalten Mitarbeiter mit dem Novemberentgelt eine Jahressonderzahlung in Höhe von 100% des Bruttomonatstabellenentgelts. Die Formulierung „… erhalten mit dem Novemberentgelt …“ setzt begrifflich voraus, dass der Mitarbeiter ein Entgelt für den Monat November erhält, was wiederum ein bestehendes Arbeitsverhältnis, zumindest an einem Novembertag, voraussetzt. Die Tarifvertragsparteien haben damit nicht nur die Fälligkeit des Anspruchs geregelt, sondern auch eine Bedingung für den Anspruch festgelegt. Für eine bloße Fälligkeitsregelung hätte die allgemein übliche Angabe eines konkreten Datums, z.B. „spätestens am 30.11.“, oder einer Zeitspanne, z.B. „im November eines jeden Jahres“, genügt. Die Tarifvertragsparteien haben sich jedoch nicht auf die Angabe eines Datums oder Zahlungszeitraums beschränkt, sondern auf den Erhalt einer Entgeltzahlung für November Bezug genommen.
Für das Austrittsjahr hatten die Tarifvertragsparteien keine Regelung getroffen, insbesondere keine Quotelung entsprechend dem Eintrittsjahr vorgesehen. Sie hatten erkennbar nicht die Absicht, den im Laufe des Jahres – ggf. bereits im Januar – ausgeschiedenen Arbeitnehmern eine anteilige Jahressonderzahlung zukommen zu lassen. Schon gar nicht sollten ausgeschiedene Arbeitnehmer eine volle Jahressonderzahlung erhalten und damit besser behandelt werden als neu hinzugekommene Arbeitnehmer bzw. gleichbehandelt werden mit ganzjährig beschäftigten Arbeitnehmern.