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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Tarifvertragliche Inflationsausgleichsprämie auch für Arbeitnehmer in der Passivphase ihrer Altersteilzeit

Tarifvertragliche Inflationsausgleichsprämie auch für Arbeitnehmer in der Passivphase ihrer Altersteilzeit

Der im Tarifvertrag für energie- und wasserwirtschaftliche Unternehmungen geregelte Ausschluss von Arbeitnehmern, die sich in der Passivphase ihrer Altersteilzeit befinden, vom Bezug einer Inflationsausgleichsprämie ist unwirksam.

Der Arbeitnehmer eines Unternehmens der Energiewirtschaft hatte mit der Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin Altersteilzeit im Blockmodell mit Beginn der Passivphase am 01.05.2022 vereinbart.

 Der Arbeitgeberverband energie- und wasserwirtschaftlicher Unternehmungen e.V. einigte sich mit den Gewerkschaften ver.di und IG BCE anlässlich der Tarifrunde 2023 in dem „Tarifvertrag über eine einmalige Sonderzahlung gem. § 3 Nr. 11c Einkommenssteuergesetz“ (TV IAP) auf die Gewährung einer Inflationsausgleichsprämie, die unabhängig vom individuellen Beschäftigungsgrad 3.000 EUR beträgt. Es handelt sich nach der Protokollnotiz zum TV IAP um eine Beihilfe bzw. Unterstützung des Arbeitgebers zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise. Von der Zahlung sind nach § 1 Abs. 2 Satz 3 TV IAP u.a. Arbeitnehmer ausgeschlossen, die sich am 31.05.2023 in der Passivphase der Altersteilzeit oder im Vorruhestand befanden.

Der Mitarbeiter verlangte die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 EUR. Er war u.a. der Auffassung, der Anspruchsausschluss von Arbeitnehmern in der Passivphase der Altersteilzeit stelle eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen der Teilzeit dar. Die Inflationsausgleichsprämie werde ausschließlich als Leistung zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise gezahlt und verfolge daneben keinen arbeitsleistungsbezogenen Zweck.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht hatten die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Mitarbeiters gab das Bundesarbeitsgericht der Klage statt.

Das Bundesarbeitsgericht urteilte, dass die Arbeitgeberin zur Zahlung der Prämie an den klagenden Mitarbeiter verpflichtet war.

Der Ausschluss von Arbeitnehmern in der Passivphase der Altersteilzeit durch § 1 Abs. 2 Satz 3 TV IAP verstößt gegen § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Danach darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.

Eine Schlechterstellung von Teilzeitbeschäftigten kann sachlich gerechtfertigt sein, wenn sich ihr Grund aus dem Verhältnis von Leistungszweck und Umfang der Teilzeitarbeit herleiten lässt. In der Bestimmung des Leistungszwecks sind die Tarifvertragsparteien dabei gem. Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) weitgehend frei. Mit der Regelung des § 1 Abs. 2 Satz 3 TV IAP haben sie ihre durch § 4 Abs. 1 TzBfG begrenzte Rechtsetzungsbefugnis jedoch überschritten. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern aufgrund der Freistellung in der Altersteilzeit gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten lässt sich aus den erkennbaren Leistungszwecken und dem Umfang der Teilzeitarbeit nicht herleiten. Die Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen widersprach der Annahme, dass es sich bei der Inflationsausgleichsprämie auch um eine Gegenleistung für erbrachte Arbeit handelt.

Auch in Bezug auf die vergangene Betriebstreue waren keine Aspekte ersichtlich, die die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Von einer zukünftigen Betriebstreue hatten die Tarifvertragsparteien den Anspruch nicht abhängig gemacht. Unterschiede für einen unterschiedlichen Bedarf aufgrund der gestiegenen Verbraucherpreise zwischen Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten, die sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befinden, waren nicht erkennbar.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12.11.2024
Aktenzeichen: 9 AZR 71/24