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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Tarifvertrag: Gutschrift zum Arbeitszeitkonto statt erfolgter Geldzahlung

Tarifvertrag: Gutschrift zum Arbeitszeitkonto statt erfolgter Geldzahlung

Eine Mitarbeiterin war seit Dezember 2013 als Produktionsmitarbeiterin mit 37,5 Wochenarbeitsszunden und einem Monatsbrutto von zuletzt 2.358 EUR bei einer Arbeitgeberin beschäftigt. Im November 2022 hatte sie die Umwandlung ihres Anspruchs nach § 5 des Tarifvertrags zur Jahresleistungsprämie (TV JlP) in Freizeit beantragt. Den Rest des Anspruchs beantragte sie ebenfalls umzuwandeln und ihrem Zeitkonto gut zu schreiben. Die Arbeitgeberin gewährte daraufhin 6 volle Tage mit je 7,5 Stunden Freizeitausgleich und zahlte im Mai 2023 den sich aus 2 Stunden und 18 Minuten aus 33,26 EUR brutto ergebenden Nettobetrag aus.

Die Mitarbeiterin war der Ansicht, dass der Wortlaut der tarifvertraglichen Regelung des § 5 Ziff. 6 TV JlP derart zu verstehen bzw. auszulegen sei, dass die Wahl zwischen Auszahlung eines Geldbetrages für die 4 Stunden und 55 Minuten und der Gutschrift auf dem Zeitkonto zur Disposition des Arbeitnehmers stehe. § 5 Ziff. 6 letzter Absatz TV JlP sei auf den ersten Absatz von § 5 Ziff. 6 TV JlP bezogen, so dass nur der Arbeitnehmer entscheide, ob er Teile, oder den gesamten Betrag in Freizeit umgewandelt haben möchte. Infolgedessen forderte sie gerichtlich, ihrem Arbeitszeitkonto 2 Stunden und 18 Minuten Zug um Zug gegen Rückzahlung von 33,26 EUR brutto gutzuschreiben.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Allerdings wurde die Berufung gesondert zugelassen.

Die Arbeitgeberin hatte die geschuldete Leistung der Jahresleistungsprämie 2023 nach § 5 Ziff.1 und 6 des TV JlP vollständig an die Mitarbeiterin bewirkt. Der Erfüllungseinwand der Arbeitgeberin hat die Forderung vernichtet. Die heute h.M. in Rechtsprechung und Literatur geht unisono davon aus, dass die Erfüllung weder eine vertragliche Einigung noch eine Tilgungsbestimmung voraussetzt, sondern allein aufgrund der tatsächlichen Herbeiführung des Leistungserfolgs eintritt. Das Schuldverhältnis (hier die in Frage stehende Forderung) war nach § 362 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erloschen.

Die Stunden – gemeint können nur die die vollen Tage überschießenden Reststunden sein (2 Stunden und 18 Minuten) – können einem Zeitkonto gutgeschrieben oder entsprechend ausgezahlt werden. Beides kann bei dieser Wortwahl ausschließlich und nur der Arbeitgeber. Er kann die Stunden einem Zeitkonto gutschreiben, oder die entsprechende Restzahlung auszahlen und Abrechnung hierüber erteilen. Der Text des Tarifvertrages enthält keine Formulierung, die dem Arbeitnehmer ein Wahlrecht einräumt. Damit hat die Arbeitgeberin durch die Auszahlung der 33,26 EUR brutto die Schuld vollständig beglichen. Der Anspruch ist insgesamt erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB.

Das Gericht hat den maßgeblichen Sinn der tariflichen Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm ist mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Bereits hier scheiterte der Parteivortrag. In der tariflichen Norm hatte die in den Mails erkennbare Auffassung eines Vertreters einer Seite keinen Niederschlag gefunden.

Das Gericht hatte die Berufung zuzulassen, da die Rechtssache eine Rechtsstreitigkeit über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichtes hinaus erstreckt, betrifft, § 64 Abs. 3 Nr. 1 Buchst b Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG).

Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 21.03.2024

Aktenzeichen: 4 Ca 1072/23