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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Streit um Beschäftigung an einem bestimmten Arbeitsort

Streit um Beschäftigung an einem bestimmten Arbeitsort

Aus der Kombination von Benennung des Arbeitsortes im Arbeitsvertrag unter gleichzeitigem Hinweis auf einen Versetzungsvorbehalt wird deutlich, dass die Benennung des Arbeitsortes keine unabänderliche vertragliche Festlegung bedeutet, sondern im Rahmen des Direktionsrechts geschieht. Wenn der Arbeitgeber den an den Außenstandorten beschäftigten Mitarbeitern einen gewissen Bestandsschutz gewährt, deutet dies nicht auf eine fehlende Umsetzung, sondern allenfalls auf eine schonende Umsetzung des Standortkonzepts hin.

Die Mitarbeiterin ist bei einer Arbeitgeberin als Mitarbeiterin des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält zum Arbeitsort keine ausdrückliche Festlegung. In § 2 wird allerdings auf den Tarifvertrag der Verbandsmitglieder der Tarifgemeinschaft der Deutschen Rentenversicherung verwiesen. Neben dem Arbeitsvertrag erhielt die Mitarbeiterin eine „Niederschrift nach dem Nachweisgesetz“ mit folgendem Inhalt:

„1. Die Beschäftigung erfolgt in X (Arbeitsort).
Die tariflichen Vorschriften über die Versetzung, Abordnung und Zuweisung bleiben unberührt.
Die Arbeitnehmerin wird außerdem darauf hingewiesen, dass sich aus dem Arbeitsverhältnis für sie die Verpflichtung ergibt, ihre Tätigkeit am neuen Sitz der Beschäftigungsdienststelle fortzuführen, soweit Teile der Beschäftigungsdienststelle an einen anderen Ort verlegt werden.“

Am 31.01.2021 beantragte die Mitarbeiterin gegenüber der Arbeitgeberin eine Umsetzung von dem bisherigen Standort an einen anderen Standort der Arbeitgeberin in Weimar.  Mit Schreiben vom 02.06.2021 entsprach die Arbeitgeberin dem Antrag der Mitarbeiterin und kündigte an, sie mit Wirkung vom 01.09.2021 als Mitarbeiterin SMD am Standort einzusetzen. Dem Schreiben war eine „Niederschrift nach dem Nachweisgesetz“ vom 02.06.2021 beigefügt mit folgenden Inhalt:

„1. Die Beschäftigung erfolgt ab 1.9.2021 in (Arbeitsort).
Die tariflichen Vorschriften über die Versetzung, Abordnung und Zuweisung bleiben unberührt.
Die Arbeitnehmerin wird außerdem darauf hingewiesen, dass sich aus dem Arbeitsverhältnis für sie die Verpflichtung ergibt, ihre Tätigkeit am neuen Sitz der Beschäftigungsdienststelle fortzuführen, soweit Teile der Beschäftigungsdienststelle an einen anderen Ort verlegt werden.“

Mit Schreiben der Arbeitgeberin vom 20.07.2021 teilte die Arbeitgeberin der Mitarbeiterin mit, dass das Diensteinsatzschreiben vom 02.06.2021 gegenstandslos sei und begründete dies mit der Umsetzung des Standortkonzepts der Arbeitgeberin. Hiergegen klagte die Mitarbeiterin. Sie wollte, wie ihr ursprünglich mitgeteilt, in Weimar eingesetzt werden.

Das Arbeitsgericht wies die Klage der Mitarbeiterin ab. Dem Arbeitsvertrag ließ sich kein Anspruch der Mitarbeiterin auf ausschließliche Beschäftigung an einem bestimmten Standort entnehmen. Der Arbeitsvertrag enthielt zum Arbeitsort keine ausdrückliche Festlegung. Dies erfolgte bei der Arbeitgeberin vielmehr regelmäßig durch Übermittlung einer Niederschrift nach dem Nachweisgesetz, die den Arbeitsort bezeichnet und gleichzeitig den Versetzungsvorbehalt nach tariflichen Vorschriften unberührt lässt. Aus dieser Kombination von Benennung des Arbeitsortes unter gleichzeitigem Hinweis auf einen Versetzungsvorbehalt wird deutlich, dass die Benennung des Arbeitsortes keine unabänderliche vertragliche Festlegung bedeutet, sondern im Rahmen des Direktionsrechts geschieht.

Die Ausübung des Direktionsrechts durch die Arbeitgeberin entsprach billigem Ermessen. Ihr Standortkonzept sieht eine Konzentration vieler Aufgaben an den Hauptstandorten vor. Hierunter fiel auch der Aufgabenbereich der klagenden Mitarbeiterin. Wenn die Arbeitgeberin dabei den an den Außenstandorten beschäftigten Mitarbeitern einen gewissen Bestandsschutz gewährt, deutet dies nicht auf eine fehlende Umsetzung, sondern allenfalls auf eine schonende Umsetzung des Standortkonzepts hin.

Die Bewilligung des neuen Einsatzorts vom 02.06.2021 widersprach dem Standortkonzept und wurde von der Arbeitgeberin noch vor der tatsächlichen Umsetzung als Bearbeitungsfehler erkannt und korrigiert. Mit dem Widerruf vom 20.07.2021 wollte die Arbeitgeberin vermeiden, mit der Umsetzung der Mitarbeiterin nach Weimar einen Präzedenzfall zu schaffen, der einer Umsetzung des Standortkonzepts entgegensteht. Das konsequente Festhalten am Standortkonzept stellt nach Auffassung des Gerichts einen Sachgrund dar, der ein willkürliches Vorgehen der Arbeitgeberin ausschließt.

Im Rahmen der Interessenabwägung merkte das Gericht an, dass die Mitarbeiterin in im Zeitpunkt des Widerrufs vom 20.07.2021 noch keinerlei Bestandsschutz besaß, da die Umsetzungsentscheidung noch nicht in Kraft getreten war. Sicherlich mochte es für die Mitarbeiterin aufgrund ihres Wohnsitzes wünschenswert gewesen sein, zukünftig einen kürzeren Arbeitsweg zurücklegen zu müssen; demgegenüber ist jedoch die unternehmerische Entscheidung zu berücksichtigen, die Aufgaben der Mitarbeiterin am Standort zu konzentrieren und nicht neue Arbeitsplätze an Außenstellen einrichten zu müssen. Ein Berufen auf den Gleichbehandlungsgrundsatz mit den noch am Außenstandort beschäftigten Mitarbeiterinnen scheiterte daran, dass deren Arbeitsplätze schon immer dort gelegen hatten und das Bestandsschutzargument der Arbeitgeberin einen Sachgrund für die Ungleichbehandlung darstellt.

Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 08.06.2022

Aktenzeichen: 4 Ca 1602/21