Streik am Uniklinikum Bonn zulässig
Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zum Widerruf des Streikaufrufs und zur Unterlassung weiterer Streikmaßnahmen hatte das Arbeitsgericht in erster Instanz abgewiesen. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung des Universitätsklinikums Bonn wies das Landesarbeitsgericht Köln nunmehr zurück.
Der Streik ist auch nicht rechtswidrig mangels tariflicher Regelbarkeit aufgrund ausschließender Regelungen des Gesetzes über die Pflegeberufe sowie des Gesetzes über den Beruf der Anästhesietechnischen Assistentin und des Anästhesietechnischen Assistenten und über den Beruf der Operationstechnischen Assistentin und des Operationstechnischen Assistenten. Diese gesetzlichen Regelungen stehen nach Wortlaut sowie ihrem Sinn und Zweck insbesondere einer zur Stärkung der Ausbildungsqualität beabsichtigten günstigeren Regelung der Tarifvertragsparteien nicht entgegen. Es handelt sich hierbei um eine angestrebte Verbesserung von Arbeits- bzw. Ausbildungsbedingungen, die – anders als Ausbildungsinhalte – dem Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG unterfällt. Der Streik für einen „Tarifvertrag Entlastung“ verstößt nicht gegen die tarifvertragliche Friedenspflicht. Weder der TV-L noch die einschlägigen Ausbildungstarifverträge TVA-L Gesundheitsberufe und dem TVA-L Pflege regeln (abschließend) das Streikziel einer präventiven, vorbeugenden Verhinderung des Entstehens spezifischer Belastungssituationen.
Schließlich ist der Streik derzeit nicht unverhältnismäßig. Das Streikrecht aus Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) unterliegt Einschränkungen, soweit verfassungsrechtlich geschützte Güter Dritter – hier Patientenrechte nach Art. 2 Abs. 2 GG – betroffen sind. Es bedarf eines Ausgleichs der beiderseitig verfassungsrechtlich geschützten Rechtspositionen im Wege der praktischen Konkordanz. Dieser Grundsatz fordert, dass nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal durchgesetzt wird. Alle Interessen müssen einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren. Im Bereich der Daseinsvorsorge eines Klinikbetriebs bedeutet dies, dass vorrangig eine angemessene, ausreichende und geeignete Notversorgung sicher zu stellen ist. Eine Notversorgung, die diesen Anforderungen entspricht, haben die Parteien in konstruktiver Art und Weise im Verhandlungstermin am 29.6.2022 vereinbart, indem sie u.a. die Notversorgung qualitativ und quantitativ durch die Erhöhung des Mindestbetriebs von 16 Operationssälen auf 25 Operationssäle nebst entsprechendem Fachpersonal verbesserten.