Store-Managerin kann in den Betriebsrat gewählt werden
Eine Store Managerin mit Personalverantwortung ist nicht in jedem Fall eine leitende Angestellte im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Die unternehmerische Bedeutung der Personalverantwortung kann aus der Anzahl der Arbeitnehmer folgen, auf die sich die selbständige Einstellungs- und Entlassungsbefugnis bezieht. Umfasst sie nur eine geringe Anzahl von Arbeitnehmern, liegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG regelmäßig nicht vor. Der Angestellte tritt in diesem Fall nur in einem unbedeutenden Umfang als Repräsentant des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat auf. Er ist dann kein leitender Angestellter im Sinne des BetrVG und kann folglich in den Betriebsrat gewählt werden.
Die Arbeitgeberin betreibt ein Einzelhandelsunternehmen für Haushaltsgegenstände mit im Zeitpunkt der streitigen Betriebsratswahl bundesweit 58 Filialen. In den Filialen sind jeweils zwischen fünf und zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Sie werden durch jeweils einen Filialleiter (Store-Manager) geleitet und sind insgesamt sieben District-Managern zugeordnet, deren Aufgabe u.a. die Sicherstellung der Einhaltung vertrieblicher und personeller Vorgaben durch die Filialen ist. Im August 2018 war in der hier maßgeblichen Filiale eine Frau B. als Store-Managerin zu einem Monatsgehalt von 2.500 EUR brutto eingestellt worden. Sie war unmittelbare fachliche und disziplinarische Vorgesetzte der im Store beschäftigten Mitarbeiter. Im Mai 2018 wurde für die Filialen und die Hauptverwaltung der Arbeitgeberin ein Betriebsrat gewählt. Auf Antrag der Arbeitgeberin erklärte das Arbeitsgericht Hamburg mit Beschluss vom 14.o5.2019 ( Az. 11 BV 10/18) die Wahl wegen Verkennung des Betriebsbegriffs für unwirksam. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Im Dezember 2019 wurde Frau B., die auch Mitglied des Wahlvorstands war, in den Betriebsrat ihrer Filiale mit fünf Mitarbeitern gewählt. Im April 2020 unterzeichnete sie sowohl als Filialleiterin für die Arbeitgeberin als auch in ihrer Funktion als Betriebsrätin eine „Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit“. Während des vorliegenden Beschlussverfahrens war Frau B. aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und die weitere Wahlbewerberin Frau O. in den Betriebsrat nachgerückt.
Die Arbeitgeberin hat die Betriebsratswahl aus Dezember 2019 angefochten. Sie hat geltend gemacht, die Wahl sei unwirksam, weil die Store-Managerin Frau B. als leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 BetrVG weder Mitglied des Wahlvorstands habe sein dürfen noch wahlberechtigt bzw. wählbar gewesen sei. Der Betriebsrat war der Ansicht, Frau B. sei keine leitende Angestellte gewesen. Sie habe als Store-Managerin ohne Billigung der Geschäftsleitung Personalentscheidungen nicht wirksam vornehmen dürfen.
Das Arbeitsgericht hat die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt. In der Beschwerdeinstanz hat das Landesarbeitsgericht den Beschluss abgeändert und den Wahlanfechtungsantrag abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin blieb vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos.
Die materiellen Voraussetzungen einer Wahlanfechtung nach § 19 Abs. 1 BetrVG liegen nicht vor. Frau B. war im Zeitpunkt der Bestellung zum Wahlvorstandsmitglied und der Betriebsratswahl keine leitende Angestellte i.S.v. § 5 Abs. 3 BetrVG. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, Frau B. sei nicht als leitende Angestellte i.S.d. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG anzusehen, war im Ergebnis nicht zu beanstanden. Es genügt aber nicht jede Einstellungs- und Entlassungsbefugnis für die Herausnahme aus dem persönlichen Anwendungsbereich des BetrVG. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG liegen nicht vor bei Arbeitnehmern, deren Personalkompetenzen nur von untergeordneter Bedeutung für den Betrieb und damit auch für das Unternehmen sind. Die unternehmerische Bedeutung der Personalverantwortung kann aus der Anzahl der Arbeitnehmer folgen, auf die sich die selbständige Einstellungs- und Entlassungsbefugnis bezieht. Umfasst sie – wie hier – nur eine geringe Anzahl von Arbeitnehmern, liegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG regelmäßig nicht vor. Der Angestellte tritt in diesem Fall nur in einem unbedeutenden Umfang als Repräsentant des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat auf.
Mit seiner Begründung durfte das Landesarbeitsgericht eine selbständige Einstellungs- und Entlassungsbefugnis von Frau B. nicht ablehnen. Der Rechtsfehler führte jedoch nicht zur Aufhebung der Entscheidung, da dieses – mit eigenständig tragender Begründung – in rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen hatte, dass eine Frau B. zukommende selbständige Einstellungs- und Entlassungsbefugnis – ginge man von einer solchen aus – keine hinreichende unternehmerische Relevanz hat. An dieser Wertung war das Landesarbeitsgericht nicht deshalb gehindert, weil die Berechtigung von Frau B. zur selbständigen Einstellung und Entlassung – unterstellte man sie als gegeben – sämtliche in der Filiale beschäftigte Mitarbeiter betraf. Die Personalverantwortung umfasste damit zwar alle Arbeitnehmer in der – nach dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg (Az. 11 BV 10/18) betriebsratsfähigen Organisationseinheit als einen durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständigen Betriebsteil i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG. Allein aus diesem Umstand folgte hingegen nicht die – aus teleologischen Gründen zu fordernde – unternehmerische Bedeutung der Personalbefugnis.
Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 04.05.2022
Aktenzeichen: 7 ABR 14/21