Schadensersatz wegen verspäteter Zielvorgabe
Nach einer am 12.03.2019 abgeschlossenen Betriebsvereinbarung über das Vergütungsmodell sollten die jeweiligen Arbeitnehmer bis zum 01.03. des Kalenderjahres eine zuvor mit ihnen zu besprechende Zielvorgabe erhalten. Der Mitarbeiter kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30.11.2019. Am 21.11.2019 hatte er seinen letzten Arbeitstag. Die Arbeitgeberin zahlte ihm für 2019 eine variable Vergütung i.H.v. 15.586 EUR. Der Mitarbeiter war der Ansicht, die Vorgabe der Unternehmensziele für 2019 sei verspätet, formell unwirksam und ermessensfehlerhaft erfolgt. Ihm stünden für 2019 noch 16.035 EUR zu. Die Arbeitgeberin wäre mindestens aus betrieblicher Übung i.V.m. der BV vom 12.03.2019 verpflichtet gewesen, den Mitarbeitern die Ziele in der tabellarischen Form der MBO-Karte schriftlich jeweils zum 01.03. auszuhändigen.
Die Arbeitgeberin behauptete, die maßgeblichen Unternehmenskennzahlen seien bereits am 26.03.2019 im Rahmen einer Präsentation, an welcher der Mitarbeiter teilgenommen habe, mitgeteilt worden. Erneut seien diese im Heads Meeting am 16.04.2019, an dem der Mitarbeiter ebenfalls teilgenommen habe, mitgeteilt worden. Die vorgegebenen Unternehmensziele seien realistisch und ex ante erreichbar gewesen.
Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Die Arbeitgeberin habe die Unternehmensziele noch innerhalb der Zielperiode spätestens im Herbst 2019 für das Jahr 2019 festgelegt. Da die Zielperiode noch nicht abgelaufen gewesen sei, sei eine Festlegung der Ziele gem. § 275 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht unmöglich geworden und habe noch erfolgen können. Auf die Berufung des Mitarbeiters hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung abgeändert und der Klage stattgegeben. Allerdings wurde die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Der Mitarbeiter kann gem. § 280 Abs. 3 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen, weil eine einseitige Zielvorgabe durch Zeitablauf unmöglich geworden ist. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) geht in gefestigter Rechtsprechung, der sich die Berufungskammer anschließt, davon aus, dass eine Zielvereinbarung spätestens nach Ablauf der Zeit, für die ein Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer Ziele zu vereinbaren hat, nicht mehr möglich ist. Offengelassen hat das BAG allerdings bisher, was gilt, wenn der Arbeitgeber zu einer (einseitigen) Zielvorgabe verpflichtet ist, diese aber nicht innerhalb der Zielperiode erfolgt und ob die einen Schadensersatzanspruch statt des Erfüllungsanspruchs begründende Unmöglichkeit bereits vor Ablauf der Zielperiode eintreten kann, also bei Abschluss einer Zielvereinbarung etwa erst gegen Ende der Zielperiode oder zu einem Zeitpunkt, zu dem der Zweck der Leistungssteigerung und Motivation aus anderen Gründen nicht mehr erreicht werden kann.
Nach Auffassung der Berufungskammer ist eine in der Zielperiode pflichtwidrig und schuldhaft unterbliebene Zielvorgabe in gleicher Weise zulasten des Arbeitgebers schadensersatzauslösend, wie die pflichtwidrig und schuldhaft nicht abgeschlossene Zielvereinbarung. Erfolgt eine Zielvorgabe somit erst zu einem derart späten Zeitpunkt innerhalb des maßgeblichen Geschäftsjahres, dass sie ihre Anreizfunktion nicht mehr sinnvoll erfüllen kann, ist sie so zu behandeln, als sei sie überhaupt nicht erfolgt. Ein derart später Zeitpunkt ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn das Geschäftsjahr bereits zu mehr als drei Vierteln abgelaufen ist (laut Ansicht des Arbeitsgerichtes spätestens Herbst 2019). Eine Anreizfunktion wird nicht per se dadurch ausgeschlossen, dass die unterlassene Zielvorgabe unternehmensbezogene Ziele betrifft.