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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Schadensersatz wegen verspätet erfolgter Zielvorgabe

Schadensersatz wegen verspätet erfolgter Zielvorgabe

Erfolgt eine Zielvorgabe entgegen der arbeitsvertraglichen Vereinbarung nicht oder zu einem so späten Zeitpunkt, dass ihr keinerlei sinnvolle Anreizfunktion mehr zukommen kann, kann der Arbeitgeber sich schadensersatzpflichtig machen. Zielvereinbarungen und Zielvorgaben unterscheiden sich grundlegend.

Eine Mitarbeiterin war von November 2015 bis Mai 2022 als Account Manager in der Abteilung Sales VW Group bei einer Arbeitgeberin beschäftigt. Sie hatte ihr Arbeitsverhältnis zum 31.05.2022 gekündigt. Für ihre Tätigkeit erhielt die Mitarbeiterin zuletzt ein jährliches Fixgehalt in Höhe von rund 66.634 EUR brutto. Im Arbeitsvertrag war zudem ein Bonussystem geregelt. Danach konnten bei Erreichung der Zielvorgaben (zwei Elemente: individuelle Ziele und Unternehmensziele) bis zu 26% des gezahlten Jahresgrundgehaltes als Bonusleistung erzielt werden. Eine Vereinbarung über die individuellen Ziele war vertraglich erfolgt. Insoweit erreichte die Mitarbeiterin einen Zielerreichungsgrad von 84,99%, was einem Bonus von 5.663 EUR entsprach. Zu keinem Zeitpunkt wurden mit der Mitarbeiterin allerdings die unternehmerischen Ziele vereinbart.

Am 16.05.2022 teilte der President E. & CEO allen bonusberechtigten Mitarbeitern mit, dass es für das Geschäftsjahr 2021 (= Kalenderjahr 2021) zu keiner Bonusauszahlung kommen werde. Mit Bekanntmachung vom 20.07.2022 teilte die Arbeitgeberin ihren bonusberechtigten Mitarbeitern mit, dass es nach intensiven Gesprächen mit dem Shareholder, den Stakeholdern im US-Headquarter sowie den Betriebsräten doch zur Auszahlung eines anteiligen Bonus kommen werde. Mit der Abrechnung für August 2022 erhielt die Mitarbeiterin 6.663 EUR brutto. Das war der Betrag, der sich bei Erreichen von 100% der individuellen Ziele ergab und entsprach 38,46% des gesamten Bonus bei 100%iger Zielerfüllung. Eine weitere Zahlung erfolgte trotz Aufforderung durch die Mitarbeiterin nicht.

Die Mitarbeiterin machte daraufhin für das Geschäftsjahr 2021 einen Bonus in Höhe von 10.661 EUR brutto geltend. Dabei handelte es sich um den Betrag, der sich bei Erreichen von 100% der Unternehmensziele ergeben würde.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt.Auf die Berufung der Arbeitgeberin bestätigte das Landesarbeitsgericht die ertinstanzliche Entscheidung.

Die Mitarbeiterin hatte einen Anspruch auf Zahlung von 2.132 EUR brutto aus § 611a Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. dem Arbeitsvertrag und auf Zahlung weiterer 8.529 EUR brutto als Schadensersatz statt der Leistung aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283, 275, 252 BGB.

Da das mit 20% bewertete Unternehmensziel JSS E. Quality erreicht worden war, war der Anspruch gem. § 611a Abs. 2 BGB i.V.m. dem arbeitsvertraglich vereinbarten Bonussystem entstanden. Dieser Anspruch war auch nicht teilweise durch die Bonuszahlung i.H.v. 6.663 EUR erfüllt worden, denn mit dieser Zahlung sollten die Bonusberechtigten so gestellt werden, als hätten sie alle das erste Element des Bonussystems (individuelle Ziele) erfüllt. Die Arbeitgeberin traf für ihre Zahlung gerade eine andere Leistungsbestimmung als die Erfüllung des zweiten Elements des Bonussystems (Unternehmensziel). Es war daher irrelevant, dass die Mitarbeiterin ihre individuellen Ziele nicht zu 100% erreicht hatte.

Die Mitarbeiterin hatte zudem einen Schadensersatzanspruch i.H.v. 8.529 EUR. Die Arbeitgeberin hatte nämlich ihre arbeitsvertragliche Pflicht schuldhaft dadurch verletzt, dass sie die laut arbeitsvertraglicher Regelung zum Bonussystem erforderliche Vorgabe der Unternehmensziele der Mitarbeiterin erst so spät mitgeteilt hatte, dass die einseitige Zielvorgabe durch Zeitablauf unmöglich geworden ist (§§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283, 275, 252 BGB). Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, kann der Gläubiger nach § 280 Abs. 1 S. 1 BGB Ersatz des hieraus entstehenden Schadens verlangen. Erfolgt eine Zielvorgabe entgegen der arbeitsvertraglichen Vereinbarung nicht oder zu einem so späten Zeitpunkt, dass ihr keinerlei sinnvolle Anreizfunktion mehr zukommen kann, kann der Arbeitgeber sich schadensersatzpflichtig machen (vgl. Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 06.02.2024, Az. 4 Sa 390/23).

Die Arbeitgeberin war aufgrund der Regelungen des geschlossenen Arbeitsvertrags zur Vorgabe der Unternehmensziele der C. E.-Group verpflichtet. Dabei handelte es sich nicht – wie vom Erstgericht angenommen – um eine Zielvereinbarung, sondern um eine Zielvorgabe. Zielvereinbarungen und Zielvorgaben unterscheiden sich grundlegend. Bei Zielvereinbarungen sind nach der vertraglichen Regelung die Ziele, von deren Erfüllung die Bonuszahlung abhängt, von den Arbeitsvertragsparteien gemeinsam festzulegen. Hingegen werden Zielvorgaben allein vom Arbeitgeber getroffen, dem dafür ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht i. S. d. § 315 Abs. 1 BGB eingeräumt wird (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17.12.2020, Az. 8 AZR 149/20). Im hier maßgeblichen Arbeitsvertrag war klar zwischen den zwei Elementen der Bonuszahlung differenziert worden, dies sowohl sprachlich als auch grafisch, u.a. durch Absätze.

Im Hinblick auf § 72 Abs. 2 Nr. 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) wurde die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 24.04.2024

Aktenzeichen: 2 Sa 293/23