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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle

Offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle

Die Einigungsstelle ist gem. § 100 Abs. 1 Satz 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) offensichtlich unzuständig, wenn die Verhandlungen noch nicht gescheitert sind. Dementsprechend muss der antragstellende Beteiligte zumindest den Versuch unternommen haben, mit der Gegenseite in Verhandlungen zum Thema der Einigungsstelle einzutreten. Dazu gehört insbesondere, eigene Vorstellungen zum Regelungsthema zu formulieren, über die dann überhaupt erst verhandelt werden kann.

Die Arbeitgeberin betreibt derzeit ca. 70 Filialen des textilen Einzelhandels, in welchen sie Bekleidung für Damen, Herren und Kinder vertreibt, im gesamten Bundesgebiet, unter anderem die Filiale S 1. Deutschlandweit sind bei der Arbeitgeberin ca. 3.500 Mitarbeiter beschäftigt. Die Arbeitgeberin streitet schon länger mit dem für die Filiale S 1 gewählte Betriebsrat über die verbindliche Festlegung der Personaleinsatzpläne sowohl für die Stammbelegschaft als auch für den Einsatz von etwaigen Leiharbeitnehmern.

Ursprünglich hatte die Arbeitgeberin in einem am 11.11.2022 anhängig gemachten Verfahren am Arbeitsgericht Stuttgart (Az. 25 BV 183/22) die Einrichtung einer Einigungsstelle beantragt, die über die Personaleinsatzpläne für Leiharbeitnehmer in den Kalenderwochen 47 ff. und für die Stammbelegschaft in den Kalenderwochen 48/2022 – 52/2022 entscheiden sollte. In der mündlichen Verhandlung am Arbeitsgericht vom 16.11.2022 einigten sich die Beteiligten zwar auf eine Einigungsstelle, die befugt war, über die Personaleinsatzpläne der Stammbelegschaft für die Kalenderwochen 48/2022 – 50/2022 zu entscheiden. Über die Personaleinsatzpläne der Leiharbeitnehmer konnte allerdings keine Einigung erzielt werden, da die Arbeitgeberin die Personaleinsatzpläne für die Leiharbeitnehmer noch nicht vorgelegt hatte. Die Beteiligten einigten sich dahingehend, dass der Betriebsrat dem Einsatz von Leiharbeitnehmern am 25.11.2022 („Black Friday“) und am 26.11.2022 („Black „Saturday“) zustimmt.

Am 17.11.2022 leitete die Arbeitgeberin sodann ein Verfahren gem. §§ 99, 100 BetrVG beim Arbeitsgericht Stuttgart (Az. 25 BV 186/22) ein bezüglich der Ersetzung der Zustimmung zur befristeten Einstellung von Leiharbeitnehmern. Gleichzeitig beantragte die Arbeitgeberin festzustellen, dass die befristete Einstellung der Leiharbeitnehmer in der Zeit vom 21.11.2022 bis zum 14.01.2023 aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei. Im Vorfeld dieses Antrags hörte die Arbeitgeberin den Betriebsrat mit Schreiben vom 11.11.2022 gem. § 99 BetrVG über den geplanten Einsatz der Leiharbeitnehmer an. Mit Schreiben vom 17.11.2022, ohne eine Antwort des Betriebsrats abzuwarten, zeigte die Arbeitgeberin gem. § 100 BetrVG die besondere Eilbedürftigkeit und vorläufige Umsetzung der Maßnahme an. Die Arbeitgeberin war der Ansicht, der Betriebsrat boykottiere bewusst den Einsatz von Leiharbeitnehmern zu den besonderen Verkaufstagen.

Das Arbeitsgericht wies die Anträge der Arbeitgeberin auf Einrichtung einer Einigungsstelle, die über die Personaleinsatzplanung von Leiharbeitnehmern entscheiden soll, zurück.

Den Anträgen auf Einrichtung einer Einigungsstelle fehlte das Rechtsschutzbedürfnis. Die begehrte Einigungsstelle war offensichtlich unzuständig i.S.d. § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Die Einigungsstelle ist offensichtlich unzuständig, wenn die Verhandlungen noch nicht gescheitert sind. Dementsprechend muss der Antragsteller zumindest den Versuch unternommen haben, mit der Gegenseite in Verhandlungen zum Thema der Einigungsstelle einzutreten. Dazu gehört insbesondere, eigene Vorstellungen zum Regelungsthema zu formulieren, über die dann überhaupt erst verhandelt werden kann. Das Fehlen eines konkreten Verhandlungsgegenstands schließt ein sich anschließendes Scheitern von Verhandlungen denklogisch aus.

Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten gemäß §§ 99, 100 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) einerseits und in sozialen Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG andererseits betreffen andere Regelungsgegenstände und sind dementsprechend auch mit anderen Konfliktlösungsmechanismen ausgestattet, sodass sowohl die Verfahren als auch die korrespondierenden Konfliktlösungsmechanismen selbständig neben einander stehen und nicht mit einander verzahnt sind.

Begehrt der Arbeitgeber (wie hier) die Einsetzung einer Einigungsstelle, die über die Personaleinsatzplanung von Leiharbeitnehmern entscheiden soll, reichen der bloße Verweis auf die in einem anhängigen Verfahren gem. §§ 99, 100 BetrVG aufgeführten Einsatzzeiten von geplanten Leiharbeitnehmern und der Hinweis, der Betriebsrat hätte im Zuge dieses Verfahrens seine Boykotthaltung gegenüber dem Einsatz von Leiharbeitnehmern zum Ausdruck gebracht, nicht aus, um ein Scheitern von Verhandlungen i.S.d. § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG ohne Hinzutreten von weiteren Gesichtspunkten anzunehmen.

Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 01.12.2022
Aktenzeichen: 25 BV 187/22