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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Öffentlichkeitsgrundsatz im arbeitsgerichtlichen Verfahren auch in Zeiten einer Pandemie unverzichtbar

Öffentlichkeitsgrundsatz im arbeitsgerichtlichen Verfahren auch in Zeiten einer Pandemie unverzichtbar

Auf die Einhaltung des Öffentlichkeitsgrundsatzes kann im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht verzichtet werden. Zulässig ist zwar eine Reduzierung der Zuhörerzahl in einem Saal, um Abstandsregelungen im Zuge einer Pandemiebekämpfung einhalten zu können. Die Verhandlung ist aber nur dann öffentlich, wenn beliebige Zuhörer, sei es auch nur in sehr begrenzter Zahl, die Möglichkeit des Zutritts haben.

In einer mündlichen Verhandlung vor einem Landesarbeitsgericht über eine Berufung im Jahr 2021 in war im Hinblick auf die Coronavirus-Pandemie aufgrund der zur Verfügung stehenden Fläche des Verhandlungssaals nach den Vorgaben der Gerichtsverwaltung, die mit der Gesundheitsbehörde abgesprochen worden waren, die Anzahl der im Verhandlungssaal anwesenden Personen auf drei Richter und sieben weitere Personen begrenzt war. Diese zur Verfügung stehenden Plätze wurden vollständig von den Verfahrensbeteiligten genutzt. Dies führte dazu, dass im Verhandlungsraum nicht einmal für einen einzigen Zuhörer Platz war. Die unterlegen Streitpartei legte Beschwerde beim Bundesarbeitsgericht (BAG) ein. Das BAG gab der Beschwerde statt und verwies den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurück.

Es lag der absolute Revisionsgrund des § 547 Nr. 5 ZPO vor. Gemäß § 52 Satz 1 iVm. § 64 Abs. 7 ArbGG sind Verhandlungen vor dem Landesarbeitsgericht öffentlich. Im vorliegenden Fall war das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden waren.

Der Grundsatz der Öffentlichkeit, der zu den Prinzipien demokratischer Rechtspflege gehört und auch in § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG niedergelegt ist, verlangt, dass jedermann nach Maßgabe des tatsächlich verfügbaren Raums Zutritt zur Verhandlung ermöglicht wird.

Zulässig ist zwar eine Reduzierung der Zuhörerzahl in einem Saal, um Abstandsregelungen im Zuge einer Pandemiebekämpfung einhalten zu können. Die Verhandlung ist aber nur dann öffentlich, wenn beliebige Zuhörer, sei es auch nur in sehr begrenzter Zahl, die Möglichkeit des Zutritts haben. Erforderlich ist, dass Zuhörer in einer Anzahl Einlass finden, in der sie noch als Repräsentanten einer keiner besonderen Auswahl unterliegenden Öffentlichkeit angesehen werden können. Ein einziger Platz für Zuhörer wäre zu wenig, weil dies zu einem faktischen Ausschluss der Öffentlichkeit führte.

Die Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes musste auch nicht bereits in der mündlichen Verhandlung gerügt werden, sondern die Parteien konnten sich auf die mündliche Verhandlung einlassen und Sachanträge stellen und trotzdem später noch die Nichtöffentlichkeit der Verhandlung rügen, denn ausgehend vom Zweck des Öffentlichkeitsgrundsatzes kann auf dessen Einhaltung im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht verzichtet werden (§ 295 Abs. 2 ZPO). Der Grundsatz der öffentlichen mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme soll eine der öffentlichen Kontrolle entzogene Geheimjustiz verhindern. Vor allem dient die Gerichtsöffentlichkeit jedoch der Kontrolle der Justiz durch die Möglichkeit der Allgemeinheit, die Verhandlung zu beobachten. Letztlich dient das Gebot der Öffentlichkeit durch seine Kontrollfunktion auch der Verfahrensfairness.

Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 02.03.2022

Aktenzeichen: 2 AZN 629/21