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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Neuer Einsatzort 500 km entfernt: Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis war unbillig

Neuer Einsatzort 500 km entfernt: Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis war unbillig

Auch der Widerruf der einmal gegebenen Erlaubnis, die Arbeitsleistung vom Homeoffice aus zu erledigen, ist eine Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts und als solche am Erfordernis billigen Ermessens zu überprüfen. Wird der Betriebsstandort, dem der im Homeoffice arbeitende Arbeitnehmer bisher zugewiesen war, geschlossen und der Arbeitnehmer einem neuen Standort zugewiesen, ohne dass sich der Inhalt der geschuldeten Arbeit ändert, ist diese Neuzuweisung allein kein sachlicher Grund, der die Weisung, nunmehr 500 km entfernt zu arbeiten, als billig erscheinen lassen könnte.

Ein heute 55-jährige alleinstehender Mitarbeiter arbeitet seit 2017 bei einer Arbeitgeberin im Planungs- und Projektmanagement, insbesondere im Automotive-Bereich am Standort L. Den Job erledigte er während der vergangenen drei Jahre zu 80% aus dem Homeoffice. Laut Arbeitsvertrag bezog sich sein Einsatzort auf die gesamte Unternehmensgruppe und richtete sich nach den laufenden Projekten der Unternehmensgruppe.

Nach Schließung des Standortes L. versetzte die Arbeitgeberin den Mitarbeiter zum 01.05.2023 an einen 500 km entfernten Einsatzort M. und widerrief die Erlaubnis, im Homeoffice zu arbeiten. Hilfsweise für den Fall, dass die Versetzung unwirksam sein sollte, kündigte die Arbeitgeberin dem Mitarbeiter ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt, mithin zum 31.05.2023, verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen am neuen Einsatzort M. fortzusetzen. Der Mitarbeiter bot im Gegenzug an, seine Tätigkeit im Homeoffice fortzusetzen.

Der Mitarbeiter hat sich mit einer Klage beim Arbeitsgericht sowohl gegen die Versetzung als auch gegen die hilfsweise erklärte Änderungskündigung gewandt. Er hat vorgetragen, bisher habe er nahezu sämtliche Tätigkeiten aus dem Homeoffice erbracht und ansonsten sei er bei den Kunden gewesen. Die kurzfristige Versetzung sei zudem unzumutbar, da es ihm aus privaten Gründen nicht möglich sei, seinen Lebensmittelpunkt so kurzfristig nach M. zu verlagern. Ihm sei es zudem unmöglich, innerhalb eines so kurzen Zeitraums eine neue Wohnung zu finden. Letztlich genüge die Versetzung nicht dem Bestimmtheitsgebot. Statt der Änderungskündigung habe als milderes Mittel jedenfalls das Angebot eines Homeoffice Arbeitsplatzes im Raume gestanden.

Das Arbeitsgericht gab der Klage gegen die Versetzung sowie gegen die hilfsweise erklärte Änderungskündigung statt. Das Landesarbeitsgericht wies die hiergegen gerichtete Berufung der Arbeitgeberin zurück.

Der Mitarbeiter hatte einen Anspruch auf die Feststellung, dass die Versetzung unwirksam war.

Zwar kann der Arbeitgeber kraft des in § 106 der Gewerbeordnung (GewO) ausdrücklich geregelten Weisungsrechts grundsätzlich einseitig – d.h. auch ohne Zustimmung des Arbeitnehmers und notfalls sogar gegen dessen Willen – die Einzelheiten der von ihm im Arbeitsvertrag häufig nur rahmenmäßig versprochenen Dienste in fachlicher, örtlicher und zeitlicher Hinsicht konkretisieren. Außerdem kann er Anordnungen zum Verhalten im Betrieb im Einzelfall erteilen sowie abstrakt-generelle Verhaltensregeln erlassen und diese bei Bedarf jederzeit wieder ändern. Der Arbeitgeber hat allerdings bei der Erteilung von Weisungen auch billiges Ermessen zu wahren, d.h., er muss die berechtigten Belange der Beschäftigten angemessen berücksichtigen. Auch der Widerruf der einmal gegebenen Erlaubnis, die Arbeitsleistung vom Homeoffice aus zu erledigen, ist eine Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts und als solche am Erfordernis billigen Ermessens zu überprüfen.

Bei der Prüfung, ob die hier in Streit stehende Weisung die Grenzen des billigen Ermessens gewahrt hat, erwiesen sich die zu berücksichtigenden Interessen des Mitarbeiters als überwiegend. Sie sprachen gegen einen Widerruf der Erlaubnis, vom Homeoffice aus die Arbeitsleistung zu erbringen. Der Mitarbeiter hatte ein erhebliches Bestands- und Ortsinteresse. Über Jahre hinweg arbeitete er von einem Homeoffice aus. Dort ist er familiär, logistisch, im Freundeskreis und in der Kultur verortet. Um eine Versetzung von dort in ein Büro 500 km entfernt als „billig“ i.S.v. § 106 GewO erscheinen zu lassen, hätte es sachlicher Interessen der Arbeitgeberin bedurft, die die Interessen des Mitarbeiters überwiegen. Solche Interessen ergaben sich hier jedoch nicht. Wird der Betriebsstandort, dem der im Homeoffice arbeitende Arbeitnehmer bisher zugewiesen war, geschlossen und der Arbeitnehmer einem neuen Standort zugewiesen, ohne dass sich der Inhalt der geschuldeten Arbeit ändert, ist diese Neuzuweisung allein kein sachlicher Grund, der die Weisung, nunmehr 500 km entfernt zu arbeiten, als billig erscheinen lassen könnte.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 11.07.2024

Aktenzeichen: 6 Sa 579/23