Mittels App eingesetzte Auslieferungsfahrer dürfen eigenen Betriebsrat wählen
Die Betriebsräte hielten dagegen, die Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts, etwa die Erfassung der Arbeitszeit, die Personalplanung, die Dienstplaneinteilung, die Erstellung der Lohnabrechnungen, die Annahme von Urlaubsanträgen und die Krankmeldungen, die Entscheidung über Kündigungen und Abmahnungen erfolge mithilfe einer App. Fast sämtliche Personalentscheidungen würden zentral von der Verwaltung der Arbeitgeberin getroffen.
Das Arbeitsgericht Aachen wies die Wahlanfechtung der Arbeitgeberin zurück. Die Wahl ist weder nichtig noch unwirksam.
Der Wahlvorstand hatte den Betriebsbegriff nicht verkannt. Auch in einem qualifizierten Betriebsteil i.S.d. § 4 BetrVG kann ein eigenständiger Betriebsrat gewählt werden. Diese Voraussetzungen erfüllt hier das Liefergebiet Aachen. Gegenüber dem Hauptbetrieb ist es räumlich und organisatorisch abgrenzbar. Die Auslieferungsfahrer sind dem Liefergebiet fest zugeordnet; einen Austausch von Arbeitnehmern, etwa mit dem Liefergebiet Köln, gibt es nicht. Für die Annahme eines relativ verselbstständigten Betriebsteils i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG genügt es zudem, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt (im Anschluss an den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 21.06.2023, Az. 7 ABR 19/22).
Die den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Einheit ist hinreichend institutionalisiert. Da die Arbeitgeberin den Arbeitseinsatz der Arbeitnehmer digital durch eine App steuert, reicht es aus, wenn alle Arbeitnehmer der abgrenzbaren Einheit den Weisungsrechten einer Leitungsmacht unterstehen, die für die Einheit zuständig ist. Es kommt gerade nicht darauf an, dass eine Person räumlich vor Ort in dem Betriebsteil anwesend ist, die Weisungsrechte per App auf den Weg bringt.
Weitere Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften waren nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Zwar hat das Gericht sämtliche Anfechtungsgründe, auf die es im Laufe des Verfahrens stößt, von Amts wegen zu berücksichtigen, gleichgültig ob sich die Beteiligten darauf berufen oder nicht. Eine Ausforschungspflicht besteht gleichwohl nicht.