Männlicher Bewerber für Stelle als Sekretärin: keine Entschädigung wegen Diskriminierung
Am 03.01.2023 bewarb sich der Bewerber bei einer Arbeitgeberin, die in Dortmund eine Ingenieurgesellschaft betreibt, auf eine im Portal „Indeed“ veröffentlichte Stellenanzeige für eine „Bürokauffrau/Sekretärin“. Dabei gab er in einem auf der Plattform hinterlegten Lebenslauf u.a. an, sieben Jahre Erfahrung als Sekretär und in Microsoft Office zu haben. Konkretere zeitliche Angaben, Nachweise zur Ausbildung/Lehre sowie zu etwaigen Vorbeschäftigungen enthielt das Dokument nicht. Der Bewerber erhielt auf seine Bewerbung von der Arbeitgeberin keine Rückmeldung. Die Stellenanzeige wurde zwischenzeitlich auf der Website gelöscht und die Stelle wurde von der Arbeitgeberin mit einer Frau besetzt.
Der Bewerber verlangte von der Arbeitgeberin die Zahlung einer Entschädigung in Höhe von mindestens 6.000 EUR nach § 15 Abs. 2 AGG. Er war der Ansicht, die Stelle sei entgegen § 11 AGG unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG nicht geschlechtsneutral ausgeschrieben, sondern ausschließlich an weibliche Personen adressiert gewesen. Die sich daraus begründende Vermutung, dass seine Bewerbung wegen seines männlichen Geschlechts keine Berücksichtigung gefunden habe, habe die Arbeitgeberin nicht widerlegt.
Die Klage blieb vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht erfolglos. Das galt auch für die Revision des Bewerbers vor dem Bundesarbeitsgericht.
Das Entschädigungsverlangen eines erfolglosen Bewerbers nach § 15 Abs. 2 AGG kann dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt sein. Rechtsmissbrauch ist anzunehmen, sofern diese Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihr darum ging, nur den formalen Status als Bewerber i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung und/oder Schadensersatz geltend zu machen. Nach § 242 BGB sind durch unredliches Verhalten begründete oder erworbene Rechte oder Rechtsstellungen grundsätzlich nicht schutzwürdig. Zwar führt nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung. Hat der Anspruchsteller sich die günstige Rechtsposition aber gerade durch ein treuwidriges Verhalten verschafft, liegt eine unzulässige Rechtsausübung i.S.v. § 242 BGB vor.
Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der sich das Bundesarbeitsgericht anschloss, verlangt die Feststellung eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens im vorstehenden Sinne das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Elements. Hinsichtlich des objektiven Elements muss sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben, dass trotz formaler Einhaltung der in der betreffenden Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde. In Bezug auf das subjektive Element muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte die Absicht ersichtlich sein, sich einen ungerechtfertigten Vorteil aus der Unionsregelung dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden. Das Missbrauchsverbot ist allerdings nicht relevant, wenn das fragliche Verhalten auch eine andere Erklärung haben kann als nur die Erlangung eines Vorteils.
Für das Vorliegen der Voraussetzungen, die gegenüber einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG die Einwendung des Rechtsmissbrauchs begründen, ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet. Dieser muss deshalb Indizien vortragen und im Bestreitensfall beweisen, die den rechtshindernden Einwand begründen. Der Bewerber hatte im Rahmen seines bei „Indeed“ eingestellten Lebenslaufs darauf verzichtet, nähere Angaben zu seiner Erwerbsbiographie zu machen, die eine entsprechende (Berufs-)Erfahrung hätten belegen können. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, wonach ein solches Verhalten – zumindest in der Gemengelage mit weiteren, gegen ein ernsthaftes Interesse am Erhalt der Stelle sprechenden Umständen – ein objektiver Anhaltspunkt für Rechtsmissbrauch sein kann, stand im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.