Lohnanspruch nach unwirksamer Kündigung – böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes
Der Mitarbeiter erhielt von der Agentur für Arbeit während des gesamten Zeitraums seiner Arbeitslosigkeit kein Vermittlungsangebot. Er hatte jedoch auch von Anfang an gegenüber der Agentur für Arbeit deutlich gemacht, auf den Arbeitsplatz bei der Arbeitgeberin zurückkehren zu wollen. Er unternahm auch selbst keine Versuche, eine anderweitige Beschäftigung zu finden.
Im Januar 2023 verlangte der Mitarbeiter von seiner Arbeitgeberin Zahlung von Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum Juli 2021 bis August 2022. Er meinte, es habe keine Notwendigkeit bestanden, sich anderweitig um Arbeit zu bemühen. Er habe für sich entschieden, seine Beschäftigung bei der Arbeitgeberin fortsetzen zu wollen. Jedenfalls nach dem erstinstanzlichen Urteil des Arbeitsgerichts hätte die Arbeitgeberin den Mitarbeiter zur Vermeidung von Annahmeverzugsvergütungsansprüchen weiterbeschäftigen können.
Die Arbeitgeberin war hingegen der Ansicht, das Unterlassen jeglicher Bemühungen des Mitarbeiters, anderweitig Arbeit zu finden, sei böswillig. Der Mitarbeiter wäre bei entsprechenden Bemühungen in der Lage gewesen, eine gleichwertige anderweitige Beschäftigung zu finden. Die Arbeitslosenquote sei dort sehr gering gewesen.
Das Arbeitsgericht hatte der Zahlungsklage des Mitarbeiters vollständig stattgegeben und die Arbeitgeberin zur Zahlung der verlangten Annahmeverzugsvergütung verurteilt. Auf die Berufung der Arbeitgeberin entschied das Landesarbeitsgericht ebenfalls im Sinne des Mitarbeiters und wies die Berufung der Arbeitgeberin ganz überwiegend zurück.
Die Arbeitgeberin befand sich im Zeitraum Juli 2021 bis August 2022 unstreitig im Annahmeverzug i.S.d. § 615 Satz 1 BGB. Ein Angebot der Arbeitskraft durch den Mitarbeiter war wegen des Ausspruchs der Kündigung durch die Arbeitgeberin gemäß § 296 BGB entbehrlich.
Der Mitarbeiter hatte keinen anderweitigen Verdienst durch tatsächliche anderweitige Arbeit erzielt, welchen er sich gemäß § 11 Nr. 1 KSchG anrechnen lassen müsste. Der Mitarbeiter musste sich aber auch nicht nach § 11 Nr. 2 KSchG anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Von der demnach erforderlichen Kausalität eines böswilligen Unterlassens für einen entgangenen anderweitigen Verdienst kann nur ausgegangen werden, wenn dem Arbeitnehmer die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bekannt war bzw. bekannt gemacht wurde. Im entsprechenden Rechtsstreit trägt der Arbeitgeber grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer eine zumutbare Tätigkeit gefunden hätte und dass er diese konkrete Tätigkeitsmöglichkeit nicht wahrgenommen hat. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bereits während des Annahmeverzugszeitraums konkrete Stellenangebote unterbreitet, obliegt es im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast dem Arbeitnehmer, so konkret wie möglich hierzu vorzutragen. Eine Darlegungslast des Arbeitnehmers kann aber nicht ausgelöst werden, wenn der Arbeitgeber erst nach dem Ende des Verzugszeitraums ermittelte Stellenangebote vorträgt, die auf dem Internetportal „Jobbörse“ der Agentur für Arbeit gestanden haben sollen und die dem Arbeitnehmer im Verzugszeitraum noch unbekannt waren.
Eine solche erweiterte Darlegungslast des Arbeitnehmers konnte auch nicht über den Rechtsgedanken der Bedingungsvereitelung begründet werden (Abweichung von dem Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 07.02.2024, Az. 5 AZR 177/23). Ließe man – mit dem 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts – zu, dass sich der Arbeitgeber auf etwaige freie Stellen berufen kann, die nicht Gegenstand eines Vermittlungsangebots der Bundesagentur für Arbeit waren und die außerhalb der quantitativen Vorgaben einer Eingliederungsvereinbarung oder eines diesen ersetzenden Verwaltungsaktes waren, würde man de facto den Arbeitnehmer in arbeitsrechtlicher Hinsicht einem schärferen Pflichtenregime unterstellen als ihm sozialversicherungsrechtlich hätte zugemutet werden können. Der notwendige Gleichlauf zwischen Sozialversicherungsrecht und Arbeitsrecht wäre aufgehoben.