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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Lohnanspruch nach unwirksamer Kündigung – böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes

Lohnanspruch nach unwirksamer Kündigung – böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes

Klagt der Arbeitnehmer nach einer unwirksamen Entlassung auf Zahlung von Annahmeverzugsentgelt, muss er sich gemäß § 11 Nr. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) dasjenige Arbeitsentgelt anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Voraussetzung dafür ist, dass dem Arbeitnehmer die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bekannt war. Auch der kündigende Arbeitgeber kann auf solche Stellen hinweisen. Wenn der Arbeitgeber jedoch erst nach dem Ende des Verzugszeitraums solche Stellenangebote vorträgt, die in der zurückliegenden Zeit der Arbeitslosigkeit auf dem Internetportal der Agentur für Arbeit gestanden haben sollen, dann ist das in der Regel nicht ausreichend, um eine Kenntnis des Arbeitnehmers zu unterstellen und ein böswilliges Unterlassen zu belegen. Dies hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschieden und ist damit von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abgewichen.

Ein Mitarbeiter stritt mit seiner Arbeitgeberin über Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum Juli 2021 bis August 2022. Der Mitarbeiter ist seit 2014 bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Diese kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Mitarbeiter im Januar 2021 außerordentlich mit Auslauffrist zum 30.06.2021. Der Mitarbeiter erhob Kündigungsschutzklage und war damit – auch in der Berufungsinstanz – erfolgreich. Die Kündigung war somit unwirksam und hatte das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst.

Der Mitarbeiter erhielt von der Agentur für Arbeit während des gesamten Zeitraums seiner Arbeitslosigkeit kein Vermittlungsangebot. Er hatte jedoch auch von Anfang an gegenüber der Agentur für Arbeit deutlich gemacht, auf den Arbeitsplatz bei der Arbeitgeberin zurückkehren zu wollen. Er unternahm auch selbst keine Versuche, eine anderweitige Beschäftigung zu finden.

Im Januar 2023 verlangte der Mitarbeiter von seiner Arbeitgeberin Zahlung von Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum Juli 2021 bis August 2022. Er meinte, es habe keine Notwendigkeit bestanden, sich anderweitig um Arbeit zu bemühen. Er habe für sich entschieden, seine Beschäftigung bei der Arbeitgeberin fortsetzen zu wollen. Jedenfalls nach dem erstinstanzlichen Urteil des Arbeitsgerichts hätte die Arbeitgeberin den Mitarbeiter zur Vermeidung von Annahmeverzugsvergütungsansprüchen weiterbeschäftigen können.

Die Arbeitgeberin war hingegen der Ansicht, das Unterlassen jeglicher Bemühungen des Mitarbeiters, anderweitig Arbeit zu finden, sei böswillig. Der Mitarbeiter wäre bei entsprechenden Bemühungen in der Lage gewesen, eine gleichwertige anderweitige Beschäftigung zu finden. Die Arbeitslosenquote sei dort sehr gering gewesen.

Das Arbeitsgericht hatte der Zahlungsklage des Mitarbeiters vollständig stattgegeben und die Arbeitgeberin zur Zahlung der verlangten Annahmeverzugsvergütung verurteilt. Auf die Berufung der Arbeitgeberin entschied das Landesarbeitsgericht ebenfalls im Sinne des Mitarbeiters und wies die Berufung der Arbeitgeberin ganz überwiegend zurück.

Der Mitarbeiter hat gegen die Arbeitgeberin einen Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung aus §§ 611a Abs. 2, 615 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Lediglich der Höhe nach hatte der Mitarbeiter etwas zu viel eingeklagt. Insoweit war das Urteil des Arbeitsgericht teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Arbeitgeberin befand sich im Zeitraum Juli 2021 bis August 2022 unstreitig im Annahmeverzug i.S.d. § 615 Satz 1 BGB. Ein Angebot der Arbeitskraft durch den Mitarbeiter war wegen des Ausspruchs der Kündigung durch die Arbeitgeberin gemäß § 296 BGB entbehrlich.

Der Mitarbeiter hatte keinen anderweitigen Verdienst durch tatsächliche anderweitige Arbeit erzielt, welchen er sich gemäß § 11 Nr. 1 KSchG anrechnen lassen müsste. Der Mitarbeiter musste sich aber auch nicht nach § 11 Nr. 2 KSchG anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Von der demnach erforderlichen Kausalität eines böswilligen Unterlassens für einen entgangenen anderweitigen Verdienst kann nur ausgegangen werden, wenn dem Arbeitnehmer die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bekannt war bzw. bekannt gemacht wurde. Im entsprechenden Rechtsstreit trägt der Arbeitgeber grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer eine zumutbare Tätigkeit gefunden hätte und dass er diese konkrete Tätigkeitsmöglichkeit nicht wahrgenommen hat. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bereits während des Annahmeverzugszeitraums konkrete Stellenangebote unterbreitet, obliegt es im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast dem Arbeitnehmer, so konkret wie möglich hierzu vorzutragen. Eine Darlegungslast des Arbeitnehmers kann aber nicht ausgelöst werden, wenn der Arbeitgeber erst nach dem Ende des Verzugszeitraums ermittelte Stellenangebote vorträgt, die auf dem Internetportal „Jobbörse“ der Agentur für Arbeit gestanden haben sollen und die dem Arbeitnehmer im Verzugszeitraum noch unbekannt waren.

Eine solche erweiterte Darlegungslast des Arbeitnehmers konnte auch nicht über den Rechtsgedanken der Bedingungsvereitelung begründet werden (Abweichung von dem Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 07.02.2024, Az. 5 AZR 177/23). Ließe man – mit dem 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts – zu, dass sich der Arbeitgeber auf etwaige freie Stellen berufen kann, die nicht Gegenstand eines Vermittlungsangebots der Bundesagentur für Arbeit waren und die außerhalb der quantitativen Vorgaben einer Eingliederungsvereinbarung oder eines diesen ersetzenden Verwaltungsaktes waren, würde man de facto den Arbeitnehmer in arbeitsrechtlicher Hinsicht einem schärferen Pflichtenregime unterstellen als ihm sozialversicherungsrechtlich hätte zugemutet werden können. Der notwendige Gleichlauf zwischen Sozialversicherungsrecht und Arbeitsrecht wäre aufgehoben.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das Landesarbeitsgericht hatte die Revision für die Arbeitgeberin zugelassen, da es von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 07.02.2024, Az. 5 AZR 177/23)  abgewichen ist. Die Revision wurde bereits beim Bundesarbeitsgericht eingelegt (Az. 5 AZR 273/24); ein Verhandlungstermin ist für den 15.01.2025 anberaumt.
Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 11.09.2024
Aktenzeichen: 4 Sa 10/24