Kündigung wegen Nichtwegschließens von sensiblem Arbeitsmaterial
„Es ist dafür Sorge zu tragen, dass schützenswerte oder geheime Informationen – egal ob in papierhafter Form oder auf dem Bildschirm – nicht durch Dritte eingesehen werden können.
Wenn der Arbeitsplatz verlassen wird oder unbeaufsichtigt ist:
Sind schützenswerte Akten, Datenträger oder Hardware mit Informationen ordnungsgemäß wegzuschließen oder ordnungsgemäß zu entsorgen. (…)“
Weil die Mitarbeiterin mehrfach gegen die Richtlinien verstoßen hatte, erhielt sie mehrere Abmahnungen. Im November 2020 fand bei der Arbeitgeberin ein Umzug statt. Die Mitarbeiterin war zu diesem Zeitpunkt erkrankt. Auf Anfrage stimmte die Mitarbeiterin zu, dass ihr Gruppenleiter im Beisein eines Betriebsratsmitglieds sich um ihren Schreibtisch kümmerte. Dabei wurde festgestellt, dass in dem unverschlossenen Schreibtisch der Mitarbeiterin mehrere Markt- und Beleihungswertermittlungen und Prüfbögen der Qualitätssicherung mit den jeweiligen Kundendaten abgelegt waren.
Am 11.12.2020 sprach die Arbeitgeberin gegenüber der Mitarbeiterin die ordentliche Kündigung zum 28.02.2021 aus. Die erforderliche Betriebsratsanhörung war zuvor ordnungsgemäß durchgeführt worden.
Der Annahme eines Pflichtverstoßes stand nicht entgegen, dass die Clean Desk Policy „ersichtlich betriebsfremde Personen als Dritte“ meine, weil alle anderen Mitarbeiter inkl. der Gruppenleiter ebenso wie die Mitarbeiterin den Grundsätzen der Vertraulichkeit und Verschwiegenheit unterworfen sind. Entgegen der Ansicht der Mitarbeiterin sind auch diese solange als „Dritte“ anzusehen, wie sie nicht selbst im Rahmen ihrer Arbeitstätigkeit Zugriff auf genau die hier fraglichen Daten hatten. Soweit die Mitarbeiterin meinte, „in einen Schrank oder dergleichen gesperrt“ bedeute nicht zwingend, dass Schublade oder Schrank auch verschlossen sein müssten, ist dies mit der Bedeutung des Wortes „Wegsperren“ nicht vereinbar.
Unzutreffend ist auch die Ansicht der Mitarbeiterin, der behauptete Verstoß gegen die Clean Desk Policy wegen des nicht abgeschlossenen Schreibtischs sei dem Bereich der Nebenpflichtverletzungen zuzuordnen. Die Erbringung der Arbeitsleistung im Rahmen des rechtmäßig ausgeübten Direktionsrechts – zu dem auch Arbeitsanweisungen zum Datenschutz gehören – ist Hauptleistungspflicht. Soweit die Mitarbeiterin hierzu darüber hinaus geltend gemacht hatte, der Verstoß wiege nicht schwer, mag dies für den einzelnen Verstoß noch gelten. Es lagen aber wiederholte Verstöße trotz einschlägiger Er- und Abmahnungen vor. Die Arbeitgeberin durfte diesen weiteren Verstoß daher zum Anlass für die Kündigung nehmen.
Eine Abmahnung war auch nicht grundsätzlich deshalb unverhältnismäßig, weil nur ein leichter Pflichtverstoß vorliegt und zuvor keine einschlägige Ermahnung oder Rüge als milderes Mittel erteilt wurde. Die Abmahnungen entsprachen hier sowohl den Anforderungen an die Rüge- als auch an die Warnfunktion. Auf die Absicht bzgl. der Pflichtverletzung kam es nicht an. Denn auch eine fahrlässige Handlungsweise ist schuldhaft, § 276 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die vorzunehmende Interessenabwägung führte letztlich ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Die 51 Jahre alte Mitarbeiterin hat durchaus noch Aussicht, auf dem Arbeitsmarkt eine vergleichbare Stelle zu finden. Die Betriebszugehörigkeit war vergleichsweise kurz.