Kündigung wegen Arbeitsverweigerung: Zurückbehaltung der Arbeitsleistung wegen offener Lohnforderung
Mit Schreiben vom 10.03.2021 nahm die Arbeitgeberin die Kündigung zurück, indem sie erklärte, aus der Kündigung des Arbeitsverhältnisses keine Rechte mehr herzuleiten. Zugleich bot sie dem Mitarbeiter die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen an. Mit Schreiben vom 18.03.2021 erklärte der Mitarbeiter, dass er seine Arbeitsleistung so lange zurückbehalte, bis die Arbeitgeberin den (nach Abzug des erhaltenen Arbeitslosengeldes) ausstehenden Annahmeverzugslohn gezahlt habe. Mit Schreiben vom 23.03.2021 forderte die Arbeitgeberin den Mitarbeiter auf, sich unverzüglich an seiner bisherigen Arbeitsstelle einzufinden und führte weiter aus, dass nach ihrer Auffassung kein Zurückbehaltungsrecht bestehe. Es mangele an einer konkret dargelegten Gegenforderung.
Das Arbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage ab. Außerdem verurteilte es die beklagte Arbeitgeberin zur Zahlung des Weihnachtsgeldes in Höhe von 435,00 EUR brutto an den Mitarbeiter.
Der Mitarbeiter hatte gegen seine Arbeitgeberin Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgelds von 435,00 EUR brutto aus der Betriebsvereinbarung. Die Streichung des Weihnachtsgelds als Teil der Gesamtvergütung griff in die betriebliche Vergütungsstruktur ein und bildete daher eine nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) mitbestimmungspflichtige Maßnahme. Die betriebliche Mitbestimmung setzt in jeder Form einen Beschluss des Betriebsrats und eine entsprechende Verlautbarung gegenüber dem Arbeitgeber voraus. Selbst wenn man von einer tatsächlich getroffenen Einigung mit dem Betriebsrat ausgeht, würde sich aufgrund ihrer Formunwirksamkeit nach § 125 BGB nichts am Ergebnis ändern. Für aufhebende und abändernde Betriebsvereinbarungen gelten die – nicht gewahrten – Formvorgaben des § 77 Abs. 2 BetrVG entsprechend.
Die Kündigung war als ordentliche verhaltensbedingte Kündigung wirksam. In der Arbeitsverweigerung des Mitarbeiter sah das Gericht einen an sich hinreichenden Kündigungsgrund. Der Mitarbeiter war jedenfalls aufgrund der unterlassenen Angabe der konkreten Gegenforderung nicht zur Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts berechtigt. Entsprechend dem Grundgedanken des § 273 Abs. 1 BGB, dass der Gläubiger, der selbst nicht leisten will, arglistig handelt, wenn er die vertraglich geschuldete Leistung einfordert, steht die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts unter dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB und unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dementsprechend muss der Arbeitnehmer unter Angabe des Grundes dem Arbeitgeber klar und eindeutig mitteilen, er nehme dieses Recht mit Blick auf eine ganz bestimmte, konkrete Gegenforderung wahr. Nur so wird dem Arbeitgeber Möglichkeit eröffnet, den möglichen Anspruch des Arbeitnehmers zu prüfen und gegebenenfalls zu erfüllen. Das Verhalten des Mitarbeiters war zwar nicht so gravierend, dass es eine außerordentliche Kündigung begründen konnte. Die Kündigung war aber als ordentliche Kündigung gerechtfertigt. Eine Umdeutung einer außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall lösen will und der dafür vorgebrachte Kündigungsgrund zwar nicht den Anforderungen eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 BGB genügt, aber zur sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung ausreicht. So war es hier.