Kündigung ohne vorherige Anhörung des Betriebsrats stellt grobe Pflichtverletzung dar
Ende September 2020 erklärte der Arbeitgeber sechs krankheitsbedingte Kündigungen, ohne den Betriebsrat zuvor beteiligt zu haben. Der Arbeitgeber entschuldigte dies mit einem Versehen des zuständigen Sachbearbeiters der Personalabteilung und versicherte dem Betriebsrat, dass dieser -außer in den Fällen, in denen die Kündigung auf Wunsch des Arbeitnehmers ausgesprochen werde- künftig zu jeder Kündigung angehört werde.
Daraufhin beantragte der Betriebsrat beim Arbeitsgericht, dem Arbeitgeber aufzugeben, es unter Androhung eines Ordnungsgeldes zu unterlassen, Kündigungen auszusprechen, ohne zuvor den Betriebsrat nach § 102 BetrVG zu beteiligen. Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgerichts den Beschluss abgeändert und dem Antrag stattgegeben.
Unerheblich war, dass nach dem Vortrag des Arbeitgebers zum fraglichen Zeitpunkt die Personalabteilung von vielen Vorgesetztenwechseln geprägt gewesen sei und noch keine „eingeschwungene Praxis“ beim Ausspruch von Kündigungen bestanden habe. Vielmehr hätte der Personalsachbearbeiter dann im Rahmen der von ihm vorzunehmenden Einzelfallbearbeitung ohne weiteres erkennen können, dass der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigungen anzuhören ist. Der Verstoß war auch objektiv erheblich. § 102 Abs. 1 BetrVG ist eines der wesentlichen Beteiligungsrechte des Betriebsrats. Die Pflichtverletzung war schwerwiegend, denn der Betriebsrat konnte seine kollektiven Rechte nicht zu Gunsten der von den Kündigungen betroffenen Arbeitnehmern gegenüber dem Arbeitgeber wahrnehmen.
Die festgestellte grobe Pflichtverletzung indizierte die Wiederholungsgefahr. Faktische oder rechtliche Gründe, die eine Wiederholung des betriebsverfassungswidrigen Verhaltens ausschließen, lagen nicht vor. Im Gegenteil: Es konnte jederzeit wieder vorkommen, dass der Personalsachbearbeiter vor dem Ausspruch von Kündigungen die Anhörung des Betriebsrats vergessen konnte. Die Zusicherung, künftig betriebsverfassungswidriges Verhalten zu unterlassen, konnte die Wiederholungsgefahr nicht ausschließen.