Kündigung nach sexueller Belästigung unter Maurern
Der Mitarbeiter erhob Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht und gab an, die Vorhaltungen seien so nicht richtig. Er habe sich zwar tatsächlich an das Auto gestellt, die Türe vorher geöffnet und so getan, als ob er die Hose öffnen und reinpinkeln wollte. Dies sei aber nur eine Gaudi bzw. einfach ein derber Spaß gewesen. Er habe weder seine Hose geöffnet, noch vorgehabt, sie zu öffnen und er habe natürlich auch nicht in das Fahrzeug pinkeln wollen. Auch auf dem von der Arbeitgeberin vorgelegten Video sei zu sehen, dass alle anderen anwesenden Personen ständig lachten und das Ganze offensichtlich auch nur als Spaß auffassten. In der Kürze der Zeit wäre es auch überhaupt nicht gegangen, die Hose aufzumachen und im Fahrzeug seine Notdurft zu verrichten. Der Mitarbeiter war der Ansicht, die Kündigung sei insgesamt unwirksam und sozial ungerechtfertigt. Die Arbeitgeberin war der Auffassung, das krasse Fehlverhalten des Mitarbeiters rechtfertige eine fristlose Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung. Ein derart respektloses Verhalten könne nicht geduldet werden.
Auf Vorsatz oder darauf, wie der Mitarbeiter selbst sein Verhalten zunächst eingeschätzt und empfunden haben mag bzw. verstanden wissen wollte, kam es nicht an (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 29.06.2017, Az. 2 AZR 302/16). Im Verstoß gegen die sexuelle Selbstbestimmung lag zugleich die Verletzung der Würde der betroffenen Personen i.S.d. § 3 Abs. 4 AGG. Auch insofern lag gem. § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten durch den Mitarbeiter vor, die „an sich“ als wichtiger Grund geeignet ist. Der Arbeitgeber ist nach § 12 AGG verpflichtet, Arbeitnehmer vor sexuellen Belästigungen zu schützen und gegebenenfalls auch angemessene Maßnahmen zu ergreifen.
Eine außerordentliche fristlose Kündigung war bei Berücksichtigung aller Umstände des Streitfalls und nach Abwägung der gegenteiligen Interessen der Parteien gleichwohl nicht gerechtfertigt. Eine Gesamtbetrachtung aller ersichtlichen Umstände führte zur Überzeugung des Gerichts im Ergebnis dazu, dass der Arbeitgeberin eine Fortsetzung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar gewesen wäre. Vorliegend wäre die ordentliche Kündigung zum 30.09.2022 ein milderes und ausreichendes Mittel gewesen, um künftige Vertragsstörungen durch den Mitarbeiter zu vermeiden. Der Mitarbeiter ging nicht heimlich vor und wollte offenbar auch keine grobe Verunreinigung (Notdurft) produzieren. Vielmehr stellte sich die Aktion nach Einsicht des Videos als schlechter Scherz zu Lasten anderer dar. Bei den Mitarbeitern der Arbeitgeberin handelt es sich eher um „Männer der Tat“ als der stets vornehmen Umgangsformen und in der Baubranche herrscht ein rauerer Umgangston als etwa in einer Bank. Dies bedeutet zwar nicht, dass deshalb Herabwürdigungen folgenlos hinzunehmen sind. Bei der Gewichtung der Schwere eines Verstoßes sind diese Umstände aber durchaus mildernd einzukalkulieren.