Rechtsanwalt Dr. von Harbou

Vertrauen ist eine unverzichtbare Voraussetzung für eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit. Geben Sie mir die Gelegenheit, Sie von mir und meinen Fähigkeiten zu überzeugen. Gerne vereinbare ich mit Ihnen einen ersten Termin, in dem wir Ihr Anliegen besprechen und ich Sie anschließend über die rechtlichen Möglichkeiten, Erfolgsaussichten, Risiken und Kosten informiere.

Geschäftszeiten

Montag - Freitag 09:00 -18:00 Uhr
Samstag - Sonntag Geschlossen

Aktueller Rechtsblog

Top
Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Kündigung nach sexueller Belästigung unter Maurern

Kündigung nach sexueller Belästigung unter Maurern

Bei Maurern handelt es sich eher um „Männer der Tat“ als der stets vornehmen Umgangsformen und in der Baubranche herrscht ein rauerer Umgangston als etwa in einer Bank. Dies bedeutet zwar nicht, dass deshalb Herabwürdigungen folgenlos hinzunehmen sind. Bei der Gewichtung der Schwere eines Verstoßes sind diese Umstände aber durchaus mildernd einzukalkulieren.

Ein zum maßgeblichen Zeitpunkt 55-jähriger Maurer war seit Anfang 2018 bei einer Arbeitgeberin beschäftigt. Die Arbeitgeberin beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18.08.2022 außerordentlich fristlos, weil der Mitarbeiter am 09.08.2022 das Fahrzeug eines Kollegen geöffnet, anschließend seine Hose aufgemacht habe und in das Fahrzeug seine Notdurft habe verrichten wollen, was er aber abgebrochen habe, da er beobachtet worden sei.

Der Mitarbeiter erhob Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht und gab an, die Vorhaltungen seien so nicht richtig. Er habe sich zwar tatsächlich an das Auto gestellt, die Türe vorher geöffnet und so getan, als ob er die Hose öffnen und reinpinkeln wollte. Dies sei aber nur eine Gaudi bzw. einfach ein derber Spaß gewesen. Er habe weder seine Hose geöffnet, noch vorgehabt, sie zu öffnen und er habe natürlich auch nicht in das Fahrzeug pinkeln wollen. Auch auf dem von der Arbeitgeberin vorgelegten Video sei zu sehen, dass alle anderen anwesenden Personen ständig lachten und das Ganze offensichtlich auch nur als Spaß auffassten. In der Kürze der Zeit wäre es auch überhaupt nicht gegangen, die Hose aufzumachen und im Fahrzeug seine Notdurft zu verrichten. Der Mitarbeiter war der Ansicht, die Kündigung sei insgesamt unwirksam und sozial ungerechtfertigt. Die Arbeitgeberin war der Auffassung, das krasse Fehlverhalten des Mitarbeiters rechtfertige eine fristlose Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung. Ein derart respektloses Verhalten könne nicht geduldet werden.

Die Kündigungsschutzklage  war zum Teil erfolgreich. Die außerordentliche fristlose Kündigung war unwirksam, da kein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hierfür vorgelegen hatte. Dass der Mitarbeiter vor anderen seine Genitalien entblößt und damit bewusst die Fahrertüre berührt hatte, stand zur Überzeugung des Gerichts nach den Zeugenaussagen fest. Ob er hierfür die Hose ganz oder teilweise geöffnet bzw. teilweise heruntergezogen hatte, spielte keine Rolle. Die von den Zeugen geschilderte „Aktion“ war jedenfalls bei einem nur teilweisen Herunterziehen der Hose in der gegebenen Zeit durchaus möglich und nach den glaubwürdigen Zeugen eben auch erfolgt. Dies stellte einen Sachverhalt dar, der „an sich“ für eine fristlose Kündigung geeignet ist. Auf eine strafrechtliche Bewertung kam es dabei nicht an. Der Mitarbeiter hatte mit seinem Vorgehen ein grob respektloses und beleidigendes Verhalten gegenüber dem Kollegen gezeigt, indem er diesen vor anderen als Schwein bezeichnet und bewusst dessen Auto in ekelerregender Weise an der Innenverkleidung der Fahrertüre mit seinen Genitalien berührt hatte. Aus Sicht des Gerichts lag überdies eine sexuelle Belästigung der Kollegen durch den Kläger gemäß § 3 Abs. 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vor.

Auf Vorsatz oder darauf, wie der Mitarbeiter selbst sein Verhalten zunächst eingeschätzt und empfunden haben mag bzw. verstanden wissen wollte, kam es nicht an (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 29.06.2017, Az. 2 AZR 302/16). Im Verstoß gegen die sexuelle Selbstbestimmung lag zugleich die Verletzung der Würde der betroffenen Personen i.S.d. § 3 Abs. 4 AGG. Auch insofern lag gem. § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten durch den Mitarbeiter vor, die „an sich“ als wichtiger Grund geeignet ist. Der Arbeitgeber ist nach § 12 AGG verpflichtet, Arbeitnehmer vor sexuellen Belästigungen zu schützen und gegebenenfalls auch angemessene Maßnahmen zu ergreifen.

Eine außerordentliche fristlose Kündigung war bei Berücksichtigung aller Umstände des Streitfalls und nach Abwägung der gegenteiligen Interessen der Parteien gleichwohl nicht gerechtfertigt. Eine Gesamtbetrachtung aller ersichtlichen Umstände führte zur Überzeugung des Gerichts im Ergebnis dazu, dass der Arbeitgeberin eine Fortsetzung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar gewesen wäre. Vorliegend wäre die ordentliche Kündigung zum 30.09.2022 ein milderes und ausreichendes Mittel gewesen, um künftige Vertragsstörungen durch den Mitarbeiter zu vermeiden. Der Mitarbeiter ging nicht heimlich vor und wollte offenbar auch keine grobe Verunreinigung (Notdurft) produzieren. Vielmehr stellte sich die Aktion nach Einsicht des Videos als schlechter Scherz zu Lasten anderer dar. Bei den Mitarbeitern der Arbeitgeberin handelt es sich eher um „Männer der Tat“ als der stets vornehmen Umgangsformen und in der Baubranche herrscht ein rauerer Umgangston als etwa in einer Bank. Dies bedeutet zwar nicht, dass deshalb Herabwürdigungen folgenlos hinzunehmen sind. Bei der Gewichtung der Schwere eines Verstoßes sind diese Umstände aber durchaus mildernd einzukalkulieren.

Urteil des Arbeitsgerichts Weiden vom 13.03.2023

Aktenzeichen: 3 Ca 556/22