Kündigung eines Arbeitnehmers wegen HIV-Infektion verstößt nicht zwingend gegen das AGG
Hat ein Arbeitgeber allgemein festgelegt, dass in einem bestimmten Bereich (z.B. in der Medikamentenherstellung) keine erkrankten Arbeitnehmer eingesetzt werden dürfen, so kann er einem an HIV erkrankten Arbeitnehmer in der Probezeit regelmäßig ohne weiteres kündigen. Eine solche Kündigung ist nicht willkürlich und verstößt daher nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Hierin liegt auch keine entschädigungspflichtige Diskriminierung i.S.d. Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).
Der Kläger war bei einem Pharmaunternehmen als chemisch-technischer Assistent beschäftigt und wurde bei der Herstellung von Medikamenten im „Reinbereich“ eingesetzt. Der beklagte Arbeitgeber hatte für diesen Fertigungsbereich allgemein festgelegt, dass Arbeitnehmer mit Erkrankungen jedweder Art – insbesondere auch Arbeitnehmer mit HIV-Infektion – nicht beschäftigt werden dürfen.
Nachdem der Arbeitgeber während der Probezeit des Arbeitnehmers von dessen HIV-Infektion erfahren hatte, kündigte er das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist. Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Kündigung geltend und verlangte hilfsweise eine Entschädigung nach dem AGG.
Das LAG Berlin-Brandenburg gab dem beklagten Arbeitgeber recht. Die Kündigung war wirksam. Sie war nicht willkürlich und verstieß daher nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Der Arbeitgeber durfte für den Bereich der Medikamentenherstellung den Einsatz erkrankter Arbeitnehmer allgemein ausschließen. Die Entscheidung, einen dauerhaft mit dem HI-Virus infizierten Arbeitnehmer zu entlassen, war auf dieser Grundlage nicht zu beanstanden. Der Arbeitnehmer hat gegen den Arbeitgeber auch keinen Anspruch aus dem AGG auf Zahlung einer Entschädigung. Dabei konnte offenbleiben, ob die bloße HIV-Infektion eine Behinderung i.S.d. AGG darstellt und ob der Kläger im Vergleich zu anderen erkrankten Arbeitnehmern ungleich behandelt wurde. Denn eine etwaige Ungleichbehandlung des Klägers wäre jedenfalls wegen des Interesses des Arbeitgebers, jedwede Beeinträchtigung der Medikamentenherstellung durch erkrankte Arbeitnehmer auszuschließen, gerechtfertigt.
Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 13.01.2012
Aktenzeichen: 6 Sa 2159/11