Kein Recht auf Teilzeit wegen entgegenstehender betrieblicher Gründe
Im Bereich Tanklager haben das Unternehmen und der Betriebsrat ein vollkontinuierliches 5-Schicht-Wechselschichtmodell über eine Betriebsvereinbarung geregelt. Es besteht aus insgesamt fünf Schichtgruppen, die den Betrieb im Tanklager in drei Schichten (Früh-, Spät- und Nachtschicht) an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr aufrechterhalten. Andernfalls würden die Produktionsprozesse der Arbeitgeberin ins Stocken geraten. Für jeden Mitarbeiter errechnet sich im 5-Schicht-Modell zunächst eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 33,6 Stunden pro Woche. Um die Differenz von 3,9 Stunden hoch auf die vertraglich geschuldeten 37,5 Stunden zu erreichen, sind von den Mitarbeitern 25,5 Ausgleichsschichten (203,50 Stunden) pro Jahr zu leisten. 80% der Ausgleichsschichten werden zu Jahresbeginn langfristig verplant; die restlichen 20% werden kurzfristig verplant um etwaig anfallende Personalengpässe, z.B. wegen Krankheit, auszugleichen.
Am 12.03.2023 hatte der Mitarbeiter einen Wunsch auf Verkürzung und Neuverteilung seiner Arbeitszeit ab 01.10.2023 bis zum 30.09.2028 geltend gemacht. Die Arbeitszeit sollte von durchschnittlich 37,5 Stunden pro Woche auf durchschnittlich 35 Stunden pro Woche reduziert werden. Die Arbeitgeberin hatte daraufhin Stellenausschreibungen veröffentlicht, mit der sie eine Ersatzkraft für den Mitarbeiter suchte, die allerdings erfolglos blieben. Mit Schreiben vom 11.08.2023 teilte die Arbeitgeberin dem Mitarbeiter mit, dass sie nach Prüfung aller Möglichkeiten seinen Teilzeitantrag aus betrieblichen Gründen ablehnen müsse. Der Mitarbeiter blieb bei seiner Ansicht, dass die Arbeitgeberin verpflichtet sei, seinem Teilzeitbegehren zuzustimmen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage des Mitarbeiters auf Zustimmung zu seinem Teilzeitantrag abgewiesen. Dem Teilzeitantrag standen betriebliche Gründe der Arbeitgeberin entgegen.
Bei den entgegenstehenden betrieblichen Gründen handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen Anwendung dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zukommt. Die Prüfung der entgegenstehenden betrieblichen Gründe ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 13.11.2012, Az. 9 AZR 259/11) regelmäßig in drei Stufen vorzunehmen. Zunächst ist festzustellen, ob der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung überhaupt ein betriebliches Organisationskonzept zu Grunde liegt und – wenn das zutrifft – um welches Konzept es sich handelt (erste Stufe). Das Organisationskonzept ist das Konzept, mit dem die unternehmerische Aufgabenstellung im Betrieb verwirklicht werden soll. In der Folge ist zu untersuchen, inwieweit die aus dem Organisationskonzept folgende Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen tatsächlich entgegensteht (zweite Stufe). Schließlich ist das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe zu prüfen (dritte Stufe).
Dabei ist die Frage zu klären, ob das betriebliche Organisationskonzept oder die zu Grunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung durch die vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung wesentlich beeinträchtigt wird. Maßgeblich für das Vorliegen der betrieblichen Gründe ist der Zeitpunkt der Ablehnung des Arbeitszeitwunschs durch den Arbeitgeber, der die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen entgegenstehender betrieblicher Gründe trägt.
Hier liegt in dem Betrieb der Arbeitgeberin ein Organisationskonzept vor, aus dem eine Arbeitszeitregelung folgt, die dem Teilzeitwunsch des Mitarbeiters entgegenstand. Das Gewicht dieser entgegenstehenden Gründe ist erheblich. So sieht das Organisationskonzept der Arbeitgeberin vor, dass die Tanklager am Standort jederzeit den für die Produktion nötigen Zufluss an chemischen Grundstoffen gewährleisten müssen. Andernfalls wäre der reibungslose Ablauf der Produktionsprozesse der Arbeitgeberin gefährdet. Das 5-Schicht-Wechselschichtmodell stand dem Teilzeitbegehren des Mitarbeiters entgegen, ohne dass für die Arbeitgeberin eine zumutbare Möglichkeit bestand, die betriebliche Arbeitszeitgestaltung mit dem Teilzeitwunsch des Mitarbeiters in Einklang zu bringen. Ferner war der Arbeitgeberin auch keine Ersatzeinstellung möglich.