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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Kein Konzernprivileg bei andauernder Arbeitnehmerüberlassung innerhalb eines Konzerns

Kein Konzernprivileg bei andauernder Arbeitnehmerüberlassung innerhalb eines Konzerns

Überlässt ein zu einem Konzern gehörendes Unternehmen einen Arbeitnehmer von Beginn des Arbeitsverhältnisses an über mehrere Jahre einem anderen Konzernunternehmen, so ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Beschäftigung des Arbeitnehmers zum Zweck der Überlassung erfolgt ist. Das entleihende Unternehmen kann sich dann nicht auf das Konzernprivileg im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) berufen. Zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer kommt nach § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer aus einem der in § 9 Abs. 1 AÜG aufgeführten Gründe unwirksam ist. Diese Rechtsfolge tritt nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG bei einer Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen nicht ein, es sei denn, der Arbeitnehmer wird „zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt“.

Ein Mitarbeiter war von Juli 2008 bis Ende April 2020 bei der S-GmbH als Sitzefertiger angestellt. Seine vertraglich geschuldete Tätigkeit verrichtete er auf dem Werksgelände eines Unternehmens der Automobilindustrie. Dieses Unternehmen und die S-GmbH waren während der Beschäftigungsdauer des Mitarbeiters konzernverbundene Unternehmen. Die genauen Umstände, unter denen der Mitarbeiter seine Arbeitsleistung erbrachte, waren zwischen den Parteien umstritten.

Der Mitarbeiter machte geltend, zwischen ihm und dem Unternehmen der Automobilindustrie sei nach § 10 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, weil er seit Beginn seiner Beschäftigung dort unter Verletzung der Vorgaben des AÜG als Leiharbeitnehmer eingesetzt worden sei. Die vertragliche Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmen der Automobilindustrie und der S-GmbH sei nicht dienst- oder werkvertraglicher Natur gewesen, sondern als Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG für das Eingreifen des Konzernprivilegs seien zu bejahen, weil der Mitarbeiter nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt und beschäftigt worden sei. Auf die Revision des Mitarbeiters hob das Bundesarbeitsgericht das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurück.

Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts ist das Konzernprivileg nicht nur dann unanwendbar, wenn Einstellung „und“ Beschäftigung zum Zweck der Überlassung erfolgen. Die Konjunktion „und“ in § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG ist als Aufzählung der bezeichneten Sachverhalte zu verstehen. Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt das Konzernprivileg auch dann nicht zur Anwendung, wenn der Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung eingestellt „oder“ beschäftigt wird. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Arbeitnehmer seit Beschäftigungsbeginn über mehrere Jahre hinweg durchgehend als Leiharbeitnehmer eingesetzt wird. Eine solche Praxis indiziert einen entsprechenden Beschäftigungszweck.

Die Sache war nun zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird zunächst die erforderlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen haben, um beurteilen zu können, ob eine Arbeitnehmerüberlassung gegeben war und das AÜG anzuwenden ist. Dies hängt davon ab, ob der Mitarbeiter tatsächlich in die Arbeitsorganisation des Unternehmens der Automobilindustrie eingegliedert war und deren Weisungen unterlag oder allein die S-GmbH gegenüber dem Mitarbeiter weisungsbefugt war.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12.11.2024

Aktenzeichen: 9 AZR 13/24