Informationspflichten gegenüber der zuständigen Behörde bei Massenentlassungen
Ebenfalls am 17.01.2020 wurde das Verfahren zur Konsultation des Betriebsrats in seiner Funktion als Arbeitnehmervertreter eingeleitet. Im Rahmen dieser Konsultation wurden dem Betriebsrat die in der Richtlinie über Massenentlassungen (Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 98/59/EG) genannten Informationen mitgeteilt. Der zuständigen Behörde – der Agentur für Arbeit Osnabrück – wurde jedoch keine Abschrift dieser schriftlichen Mitteilung zugeleitet. Am 22.01.2020 erklärte der Betriebsrat, dass er keine Möglichkeit sehe, die beabsichtigten Entlassungen zu vermeiden. Am 23.01.2020 wurde der Entwurf der Massenentlassung der Agentur für Arbeit Osnabrück mitgeteilt. Anschließend beraumte sie Beratungstermine für die meisten der von den beabsichtigten Entlassungen betroffenen Arbeitnehmer an.
Der Mitarbeiter klagte gegen seine Kündigung und machte geltend, dass der zuständigen Agentur für Arbeit keine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat vom 17.01.2020 übermittelt worden sei, obwohl dies eine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Entlassung darstelle.
Das in der Revisionsinstanz mit der Rechtssache befasste Bundesarbeitsgericht (BAG) sah in der unterbliebenen Übermittlung einen Verstoß gegen das deutsche Gesetz zur Umsetzung der Unionsrichtlinie in nationales Recht. Weder die Richtlinie noch das nationale Recht sehe jedoch eine ausdrückliche Sanktion für einen solchen Verstoß vor. Unter diesen Umständen äußert das BAG Zweifel, ob der Verstoß zwangsläufig zur Nichtigkeit der Kündigung führt. Für die Zwecke der von ihm vorzunehmenden Prüfung bedürfe der Klärung, ob die fragliche Vorschrift den Zweck habe, den Arbeitnehmern Individualschutz zu gewähren. Das BAG hat das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) entsprechende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Daher erfolgt die Übermittlung nur zu Informations- und Vorbereitungszwecken, damit die zuständige Behörde ggf. ihre weiteren Befugnisse wirksam ausüben kann. Somit soll die Verpflichtung, Informationen zu übermitteln, es ihr ermöglichen, die negativen Folgen beabsichtigter Massenentlassungen so weit wie möglich abzuschätzen, damit sie, wenn ihr diese Entlassungen später angezeigt werden, in effizienter Weise nach Lösungen für die dadurch entstehenden Probleme suchen kann. In Anbetracht des Zwecks dieser Informationsübermittlung und der Tatsache, dass sie in einem Stadium erfolgt, in dem der Arbeitgeber die Massenentlassungen nur beabsichtigt, soll sich die zuständige Behörde nicht mit der individuellen Situation jedes einzelnen Arbeitnehmers befassen, sondern die beabsichtigten Massenentlassungen allgemein betrachten.