Fristlose Kündigung wegen Facebook-Äußerungen zum Israel/Hamas-Konflikt
Der betreffende Mitarbeiter hatte am 31.10.2023 in einer Statusmeldung auf seinem Facebook Profil angefragt, wann denn die nächste Demo „gegen Juden“ in NRW laufe und eine Videosequenz veröffentlicht, welche die Stürmung eines aus Tel Aviv kommenden Flugzeuges durch eine antisemitische Parolen rufende Menschenmenge an einem Flughafen in Dagestan Ende Oktober 2023 zeigte. Dabei wurden israelische Passagiere gezielt gesucht und verletzt. Der Mitarbeiter postete dieses Video und versah es mit folgendem Kommentar:
„Das sind Männer. Die protestieren, dass keine israelischen Flugzeuge mehr kommen sollen Flughafen ist für Flüge geschlossen, so muss es sein. Das Land heißt Dagestan. Ehrenmänner.“
Davon erfuhr die Arbeitgeberin und kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Mitarbeiter fristlos und hilfsweise ordentlich. Der Betriebsrat stimmte sowohl der außerordentlichen als auch der hilfsweisen ordentlichen Kündigung zu. In der Zwischenzeit hatte sich auch die Bildzeitung eingeschaltet. Auf dem Facebook Account des Mitarbeiters war unter „Lebensereignis“ die Arbeitgeberin angegeben.
Der Mitarbeiter klagte gegen die Kündigung. Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage vollumfänglich statt. Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung der Arbeitgeberin zurück.
Zwar können Äußerungen eines Arbeitnehmers auf seinem öffentlich zugänglichen privaten Facebook-Account anlässlich des Israel/Hamas-Konfliktes, mit denen teilweise auch in strafrechtlich relevanter Weise Gewalttaten verherrlicht und volksverhetzend zum Hass gegen Israelis und/oder Juden aufgestachelt wird, als außerdienstliches Verhalten nicht per se, sehr wohl aber dann „an sich“ einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses begründen, wenn ein Bezug zum Arbeitgeber durch die Statusmitteilung hergestellt wird. Damit verstößt der Arbeitnehmer schwerwiegend gegen seine Rücksichtnahmepflicht, indem er den Arbeitgeber u.a. der Gefahr einer erheblichen Rufschädigung aussetzt. Die strafrechtliche Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers ist dabei nicht entscheidend.
Eine außerordentliche Kündigung kommt allerdings nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel – wozu außer der Abmahnung u.a. auch die ordentliche Kündigung zählen kann – gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses – zu erreichen. Gemessen hieran hielt die außerordentliche Kündigung der Beklagten den Anforderungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht Stand. Die Wirksamkeit der Kündigung scheiterte letztlich am Fehlen einer einschlägigen Abmahnung, die hier im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung vorrangig vor dem Ausspruch einer Kündigung gewesen wäre.
Antisemitismus, Gewaltverherrlichungen und strafbares Verhalten im außerdienstlichen Bereich führen nicht per se zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sondern nur bei konkreter Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses und der berechtigten Belange des Arbeitgebers durch das außerdienstliche Verhalten. Wird dieser Bezug zum Arbeitgeber durch steuerbares und sorgfaltswidriges, aber insoweit nicht vorsätzliches Verhalten (hier: das Unterlassen der Löschung der alten Arbeitgeberangabe im Facebook-Status) hergestellt, ist dieses Verhalten steuerbar und kann im Einzelfall somit eine Abmahnung vorrangig sein. Die Pflichtverletzung des Mitarbeiters war zwar geeignet, die Interessen der Arbeitgeberin erheblich zu beeinträchtigen. Bis zum Zeitpunkt der Kündigung waren solche Schädigungen jedoch nicht eingetreten, jedenfalls waren sie nicht vorgetragen worden.