Fristlose Kündigung wegen Entwendung von Desinfektionsmittel
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat die Kündigungsschutzklage eines Angestellten abgwiesen, der einen Liter Desinfektionsmittel bei seiner Arbeitgeberin entwendet hatte.
Der Mitarbeiter war seit 2004 bei einem Paketzustellunternehmen als Be- und Entlader sowie Wäscher für die Fahrzeuge beschäftigt. Die Wäsche der Wagen erfolgte in Nachtschicht mit sechs bis sieben Kollegen, wobei der Mitarbeiter seinen Wagen in der Nähe des Arbeitsplatzes abstellen konnte. Bei einer stichprobenartigen Ausfahrtkontrolle im März 2020 fand der Werkschutz im Kofferraum des Mitarbeiters eine nicht angebrochene Plastikflasche mit einem Liter Desinfektionsmittel und eine Handtuchrolle. Der Wert des Desinfektionsmittels betrug zum damaligen Zeitpunkt ca. 40 €. Es kam damals bei der Arbeitgeberin immer wieder vor, dass Desinfektionsmittel aus den Waschräumen entwendet wurde. Dem Mitarbeiter wurde daraufhin fristlos gekündigt.
Der Mitarbeiter klagte gegen die Kündigung. Er habe sich während der Arbeit jede Stunde zu seinem Fahrzeug begeben, um die Hände zu desinfizieren und abzutrocknen. Er habe das Mittel für sich und eventuell seine Kollegen verwenden wollen, zumal dieses in den Waschräumen nicht immer verfügbar gewesen sei. Bei der Ausfahrt habe er an die Sachen im Kofferraum nicht mehr gedacht. Er müsse kein Desinfektionsmittel stehlen, weil seine Frau in der Pflege arbeite und die Familie über sie ausreichend versorgt sei. Die Arbeitgeberin behauptete, dass der Mitarbeiter dem Werkschutz gesagt habe, dass er das Desinfektionsmittel habe mitnehmen dürfen, um sich unterwegs die Hände zu desinfizieren. Sie habe mit Aushängen im Sanitärbereich darauf hingewiesen, dass das Mitnehmen von Desinfektionsmitteln eine fristlose Kündigung und Anzeige zur Folge habe.
Das Gericht gab der Arbeitgeberin Recht und wies die Kündigungsschutzklage ab. Es lag ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vor. Die Einlassungen des Mitarbeiters waren nicht glaubhaft. Das Gericht ging davon aus, dass sich der Mitarbeiter das Desinfektionsmittel zugeignet hatte, um es selbst zu verbrauchen. Wenn er es während der Schicht habe benutzen wollen, hätte es nahe gelegen, das Desinfektionsmittel auf den Materialwagen am Arbeitsplatz zu stellen, zumal in der Nacht nur sechs bis sieben Kollegen arbeiteten. Es war zudem nicht nachvollziehbar, dass er das Desinfektionsmittel auch für die Kollegen verwenden wollte, denn weder hatte er ihnen gesagt, wo er das Desinfektionsmittel aufbewahrt noch ihnen den Autoschlüssel gegeben, damit sie es benutzen können. Schließlich war die aufgefundene Flasche nicht angebrochen.
Auch in Ansehung der langen Beschäftigungszeit war keine vorherige Abmahnung erforderlich. Der Mitarbeiter hatte in einer Zeit der Pandemie, als Desinfektionsmittel Mangelware war und in Kenntnis davon, dass auch die Arbeitgeberin mit Versorgungsengpässen zu kämpfen hatte, eine nicht geringe Menge Desinfektionsmittel entwendet. Damit hatte er zugleich in Kauf genommen, dass seine Kollegen leer ausgingen. In Ansehung dieser Umstände musste ihm klar sein, dass er mit der Entwendung von einem Liter Desinfektionsmittel den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gefährdete. Auch die Interessenabwägung fiel angesichts dieser Umstände zu Lasten des Mitarbeiters aus.
Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf v. 14.01.2021
Aktenzeichen: 5 Sa 483/20