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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Fristlose Kündigung einer Betriebsratsvorsitzenden

Fristlose Kündigung einer Betriebsratsvorsitzenden

Das Arbeitsgericht Köln hat die von einem Arbeitgeber beabsichtigte fristlose Kündigung der Betriebsratsvorsitzenden für gerechtfertigt erachtet und die notwendige Zustimmung des Betriebsrats zur fristlosen Kündigung ersetzt, § 103 Abs. 1, Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) i.V.m. § 15 Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Die Beteiligten stritten u.a. über das Arbeitszeitverhalten der Betriebsratsvorsitzenden, insbesondere über den Anspruch auf Freizeitausgleich nach § 37 Abs. 3 BetrVG.

Der Arbeitgeber ist ein eingetragener Verein mit insgesamt ca. 540 Mitarbeitern. Die Vorsitzende des aus elf Personen bestehenden Betriebsrats ist seit 2002 als Juristin bei dem Arbeitgeber, zuletzt in der Rechtsberatung tätig. Sie ist seit 2015 Vorsitzende des Betriebsrats und zur Ausübung ihres Betriebsratsamtes seit Mai 2022 vollständig von der Arbeitsleistung freigestellt. Seit Anfang 2023 kam es im Zusammenhang mit mobilem Arbeiten und der Zeiterfassung zu Konflikten zwischen den Beteiligten. Die Betriebsratsvorsitzende kam der Weisung des Arbeitgebers, ihre Tätigkeit am Sitz des Betriebsrates zu erbringen, mehrfach nicht nach und wurde hierfür abgemahnt. Darüber hinaus hatte sie die Teilnahme an einem Personalgespräch verweigert. Der Arbeitgeber leitete nach verweigerter Zustimmung des Betriebsrats zur fristlosen Kündigung am 31.07.2023 das vorliegende Zustimmungsersetzungsverfahren beim Arbeitsgericht ein.

Im Verlauf des Verfahrens stritten die Beteiligten auch über das Arbeitszeitverhalten der Betriebsratsvorsitzenden. § 37 Abs. 3 BetrVG gewährt einen Anspruch auf Freizeitausgleich, wenn Betriebsratstätigkeit aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der persönlichen Arbeitszeit durchzuführen ist. Der Arbeitgeber berief sich darauf, dass die Betriebsratsvorsitzende ihm monatliche Aufzeichnungen zur Überprüfung gem. § 37 Abs. 3 BetrVG übersendet hatte, die nicht alle ihre in der elektronischen Zeiterfassung aufgezeichneten Arbeitszeitüberschreitungen abbildeten, obwohl diese für den Freizeitausgleich maßgebend waren. Dies betraf – unstreitig – insgesamt 628 Minuten, die im elektronischen Arbeitszeitkonto an 94 Tagen im Zeitraum vom 17.07.2023 bis 31.03.2024 verzeichnet waren. Dabei handelte es sich nach Auffassung des Arbeitgebers um einen – jedenfalls versuchten – Arbeitszeitbetrug, weil der Arbeitgeber über den tatsächlichen Umfang der Zeitgutschriften getäuscht worden sei.

Das Arbeitsgericht erachtete die beabsichtigte fristlose Kündigung für gerechtfertigt und ersetzte die notwendige Zustimmung des Betriebsrats zur fristlosen Kündigung, § 103 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG iVm. § 15 KSchG.

Das Verhalten der Betriebsratsvorsitzenden stellte einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar (§ 626 Abs. 1 BGB). Dadurch, dass sie in 94 Fällen insgesamt 628 Minuten in ihren monatlichen Übersichten nicht dokumentiert hatte, hatte sie den Arbeitgeber über den Umfang von Betriebsratstätigkeit außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit zumindest zu täuschen versucht und dabei billigend die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Freizeitausgleich aufgrund der Plus-Salden im Arbeitszeitkonto herbeigeführt. Die Rechtslage war der Betriebsratsvorsitzenden nach den ausführlichen Hinweisen des Arbeitgebers hinreichend bekannt gewesen. Ihr war zudem erkennbar gewesen, dass der Arbeitgeber ihre monatlichen Aufzeichnungen der Überprüfung der Mehrarbeitszeiten zugrunde gelegt und nicht zwingend mit dem elektronischen Arbeitszeitkonto abgeglichen hatte.

Die Betriebsratsvorsitzende konnte sich nicht darauf berufen, zu diesem Abgleich selbst nicht verpflichtet gewesen zu sein, da sie die von ihr gemeldeten Zeiten selber der Zeiterfassung entnommen hatte. Ihr Einwand, es habe sich bei den nicht gemeldeten Zeiten weder um Betriebsratstätigkeiten gehandelt, noch habe sie diese Zeiten gegenüber dem Arbeitgeber als Arbeitszeit geltend gemacht, verfing ebenfalls nicht. Die Betriebsratsvorsitzende hatte selbst vorgetragen, dass die im Zeiterfassungssystem durch „Stempeln“ dokumentierten Zeiten der Arbeitszeit gleichzusetzen und demnach ausschlaggebend für die Gewährung von bezahltem Freizeitausgleich waren. Letztlich ist es grundsätzlich Sache des Arbeitnehmers, seine Arbeitszeiten korrekt zu dokumentieren. Es kommt nicht darauf an, dass der Arbeitgeber die streitgegenständlichen Zeitdifferenzen bei eingehender Kontrolle durch Einsichtnahme in das Zeiterfassungssystem hätte erkennen können.

Aufgrund der Schwere des Vorwurfs war eine weitere Abmahnung entbehrlich und die Kündigung war auch aufgrund des vorherigen abgemahnten pflichtwidrigen Verhaltens und unter Berücksichtigung der langen Betriebszugehörigkeit der Betriebsratsvorsitzenden verhältnismäßig.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Landesarbeitsgericht eingelegt werden.

Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 08.08.2024

Aktenzeichen: 6 BV 25/24