Freistellung während der Kündigungsfrist: Wann liegt böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes vor?
Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Mitarbeiter Anfang April 2023 arbeitssuchend und erhielt von der Agentur für Arbeit erstmals Anfang Juli Vermittlungsvorschläge. Die Arbeitgeberin übersandte ihm hingegen schon im Mai und Juni 2023 insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote, die nach ihrer Einschätzung für den Mitarbeiter in Betracht gekommen wären. Auf sieben davon bewarb sich der Mitarbeiter, allerdings erst ab Ende Juni 2023.
Nachdem die Arbeitgeberin dem Mitarbeiter für Juni 2023 keine Vergütung mehr zahlte, erhob der Mitarbeiter Klage auf Zahlung. Die Arbeitgeberin beantragte Klageabweisung und wandte ein, der Mitarbeiter sei verpflichtet gewesen, sich während der Freistellung zeitnah auf die ihm überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Weil er dies unterlassen habe, müsse er sich für Juni 2023 nach § 615 Satz 2 BGB fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bei der Arbeitgeberin bezogenen Gehalts anrechnen lassen.
Das Arbeitsgeicht hatte die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Mitarbeiters hatte das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision der Arbeitgeberin beim Bundesarbeitsgericht blieb ohne Erfolg.
Weil § 615 Satz 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, kann der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden. Die Arbeitgeberin hatte hier nicht dargelegt, dass ihr die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Mitarbeiters unzumutbar gewesen wäre. Ausgehend hiervon bestand für ihn keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung der Arbeitgeberin ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen.