Fortführung eines abgebrochenen Stellenbesetzungsverfahrens
Nach einem Vorstellungsgespräch teilte die Arbeitgeberin der Bewerberin am 16.02.2023 mit, dass sie sich im Auswahlverfahren für die Stelle durchgesetzt habe. Bei der anschließenden betriebsärztlichen Untersuchung teilte die Betriebsärztin der Arbeitgeberin mit, dass gegen die Einstellung dauernde gesundheitliche Bedenken bestünden und versah die Mitteilung mit folgenden Bemerkungen:
„dringend augenärztliche Kontrolluntersuchung, leidensgerechter Arbeitsplatz erforderlich, Überbeanspruchung der Augen vermeiden, individuelle Bildschirmpausen, Bildschirmlupe, großer Monitor, Sehhilfen, Stuhl mit verkürzter Sitztiefe, Fußstützen.“
Daraufhin wurde der Bewerberin am 27.03.2023 mitgeteilt, dass auf Grund dauerhafter gesundheitlicher Bedenken die Voraussetzungen für die Einstellung nicht vorlägen und aus Gründen der Sorgfaltspflicht des Arbeitgebers von der Einstellung abgesehen werden müsse. Die Stelle wurde erneut öffentlich ausgeschrieben. Aufgrund des vorliegenden Rechtsstreites ruht derzeit das laufende Verfahren. Die Bewerberin begehrte, dass der Arbeitgeberin gerichtlich aufgegeben wird, das Stellenbesetzungsverfahren fortzusetzen. Es sei nichtzutreffend, dass sie gesundheitlich für die ausgeschriebene Stelle nicht geeignet sei. Sie komme ihr gesamtes Leben mit der Erkrankung zurecht, habe ein Studium abgeschlossen und sich danach auf dem Arbeitsmarkt behauptet.
Der Antrag der Bewerberin war vor dem Arbeitsgericht erfolgreich. Die Bewerberin hatte einen Anspruch auf Fortsetzung des streitgegenständlichen Stellenbesetzungsverfahrens, da sein Abbruch den Bewerbungsverfahrensanspruch der Bewerberin aus Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) verletzt hatte.
Zwar kann der Bewerbungsverfahrensanspruch dadurch erlöschen, dass das Stellenbesetzungsverfahren ohne Ergebnis, d.h. ohne Besetzung der Stelle, abgebrochen wird. Der öffentliche Arbeitgeber kann etwa das Auswahlverfahren abbrechen, wenn es fehlerhaft ist und nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung führen kann. Genügt die Abbruchentscheidung diesen Vorgaben nicht, ist sie unwirksam und das in Gang gesetzte Auswahlverfahren fortzuführen. Eine Neuausschreibung darf dann nicht erfolgen.
Ein rechtswidriger Abbruch des Auswahlverfahrens verletzt den grundrechtsgleichen Bewerbungsverfahrensanspruch. Die Bewerber können daher bereits diese Maßnahme, obwohl sie nur vorbereitenden Charakter besitzt, einer gerichtlichen Kontrolle zuführen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.12.2017, Az. 9 AZR 152/17). Und hier hatte die Arbeitgeberin die Bewerberin aus nicht nachvollziehbaren Gründen routinemäßig einer Einstellungsuntersuchung unterzogen. Eine solche Untersuchung kommt nur dann in Betracht, wenn durch den Gesundheitstest festgestellt werden soll, ob der Bewerber gesundheitlich seine Arbeitstätigkeit erbringen kann, ohne dabei sich oder Dritte zu gefährden. Es reicht nicht aus, wenn nur abstrakt die mögliche Leistungsfähigkeit des Bewerbers getestet werden soll. Dabei kann der Bewerber frei entscheiden, von welchem Arzt er sich untersuchen lassen möchte.
Vorliegend war nicht ersichtlich, aufgrund welcher konkreten Umstände die Arbeitgeberin von einer gesundheitlichen Nichteignung für die Tätigkeit auf der ausgeschriebenen Stelle oder eine Gefährdung der Bewerberin für sich oder Dritte durch die Tätigkeit ausgegangen war. Es reichte insoweit nicht aus, sich auf die widersprüchlichen Angaben der Betriebsärztin zu berufen. Zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung für die ausgeschriebene Stelle müssen die körperlichen und psychischen Veranlagungen der Bewerberin grundsätzlich durch die Arbeitgeberin festgestellt und deren Auswirkungen auf ihr Leistungsvermögen bestimmt werden. Dabei darf die Entscheidungsverantwortung für das gesundheitliche Eignungsurteil nicht nur einem Arzt übertragen werden. Auf der Grundlage der Anforderungen der streitgegenständlichen Stelle, hätte die Arbeitgeberin im Verfahren darlegen müssen, aufgrund welcher Umstände die Bewerberin entweder diesen Anforderungen nicht gewachsen sein soll oder dabei die Gefahr bestehe, die Bewerberin könne sich oder Dritte gefährden. Das ist jedoch nicht geschehen.