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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Bestimmtheit eines Vollstreckungstitels auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses

Bestimmtheit eines Vollstreckungstitels auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses

Hat sich der Arbeitgeber in einem gerichtlich festgestellten Vergleich verpflichtet, dem Arbeitnehmer ein „wohlwollendes“ qualifiziertes Zeugnis, mit der Leistungsbewertung „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ und der Verhaltensbewertung „stets einwandfrei“ zu erteilen, das mit einer „Dankes-, Gruß- und Wunschformel“ abschließt, so sind diese Regelungen der Zwangsvollstreckung zugänglich. Dem Vollstreckungstitel mangelt es insoweit nicht an einer ausreichenden Bestimmtheit und damit einem vollstreckungsfähigen Inhalt.

Eine Mitarbeiterin stritt mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber über die Vollstreckung eines Zeugnisanspruchs aus einem gerichtlich festgestellten Vergleich. Die Mitarbeiterin war seit August 2015 in der Zahnarztpraxis des Arbeitgebers laut schriftlichem Arbeitsvertrag als Praxismanagerin zu einer Monatsvergütung von 3.500 EUR brutto beschäftigt. Die Parteien waren zerstrittene Eheleute. Im August 2023 erhob die Mitarbeiterin vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern Klage gegen eine kurz zuvor ergangene Kündigung des Arbeitgebers. Nach einigem Hin- und Her schlossen die Parteien einen Vergleich, dessen Zustandekommen das Arbeitsgericht gemäß § 278 Abs. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) feststellte. Der Vergleichstext lautet u.a. wie folgt:

„Vergleich
1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung gegenstandslos ist und das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei dem Beklagten aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung aus betrieblichen Gründen vom 13.08.2023 mit Ablauf des 31.10.2023 seine Beendigung finden wird.
5. Der Beklagte stellt der Klägerin ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis aus, mit der Leistungsbewertung „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ und der Verhaltensbewertung „stets einwandfrei“, welches mit einer Dankes-, Gruß- und Wunschformel abschließt. Er wird der Klägerin das Zeugnis zusenden. Auf Wunsch erhält die Klägerin ein entsprechendes Zwischenzeugnis.“

Nachdem der Arbeitgeber kein Arbeitszeugnis erteilte, wurde auf Antrag der Mitarbeiterin die Vollstreckungsklausel erteilt und der Titel wurde durch den Gerichtsvollzieher zugestellt. Auf Antrag der Mitarbeiterin setzte das Arbeitsgericht im Oktober 2024 gegen den Arbeitgeber zur Erzwingung der Verpflichtung aus Ziff. 5 des Vergleichs ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Zwangshaft bis zu sechs Monaten fest. Hiergegen legte der Arbeitgeber sofortige Beschwerde ein. Das Arbeitsgericht half der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor. Der Arbeitgeber war der Ansicht, Ziff. 5 des Vergleichs sei mangels Bestimmtheit der Zwangsvollstreckung nicht zugänglich, denn der Text des Zeugnisses ergebe sich nicht aus dem Titel selbst. Die sofortige Beschwerde des Arbeitgebers hatte vor dem Landesarbeitsgericht keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hatte zutreffend erkannt, dass Ziff. 5 des gerichtlich festgestellten Vergleichs der Zwangsvollstreckung zugänglich war. Dem Vollstreckungstitel mangelte es nicht an einer ausreichenden Bestimmtheit und damit einem vollstreckungsfähigen Inhalt. Zu Recht hatte die Mitarbeiterin einen Antrag auf Zwangsgeldfestsetzung gemäß § 888 ZPO gestellt. Bei Nichterteilung des Zeugnisses, wie im Prozessvergleich vereinbart, handelt es sich um eine unvertretbare Handlung, zu der der Schuldner, wenn er sie nicht vornimmt, durch Zwangsgeld und Zwangshaft angehalten werden kann (§ 888 ZPO). Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor.

Der Arbeitgeber hatte sich in Ziff. 5 des gerichtlich festgestellten Vergleichs verpflichtet, der Mitarbeiterin ein „wohlwollendes“ qualifiziertes Zeugnis, mit der Leistungsbewertung „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ und der Verhaltensbewertung „stets einwandfrei“ zu erteilen, das mit einer „Dankes-, Gruß- und Wunschformel“ abschließt. Damit war hinreichend klar, welche Leistung von dem Arbeitgeber gefordert wurde. Bei der Auslegung von Ziff. 5 des Prozessvergleichs war einerseits zu beachten, dass für den Schuldner aus rechtsstaatlichen Gründen erkennbar sein muss, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat. Andererseits erfordert u.a. das Gebot effektiven Rechtsschutzes, dass materiell-rechtliche Ansprüche effektiv, auch mit Hilfe der Zwangsvollstreckung, durchgesetzt werden können. Ausgehend hiervon enthielt Ziff. 5 des Vergleichs einen vollstreckbaren Inhalt. Dies ergab eine Auslegung des protokollierten Vergleichs nach den vorgenannten Grundsätzen unter Beachtung der gesetzlichen Regelung zum Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses nach § 109 Gewerbeordung (GewO).

Es genügt für die ausreichende Bestimmtheit, dass der Arbeitgeber ein „wohlwollendes“ Arbeitszeugnis erteilen soll. Zwar ist die Wendung unbestimmt und deshalb ein Vergleich insoweit nicht vollstreckbar; dies hindert jedoch nicht die Vollstreckbarkeit des titulierten Anspruchs auf ein qualifiziertes Zeugnis an sich, da die Wendung nur deklaratorisch das wiedergibt, was nach allgemeinen Zeugnisgrundsätzen inhaltlich von einem Zeugnis zu fordern ist; sie ist deshalb vollstreckungsrechtlich ohne Bedeutung. Der Arbeitgeber hat ein qualifiziertes Zeugnis gemäß § 109 GewO zu erteilen, das nach allgemeinen Grundsätzen auch dem Wohlwollensgebot unterliegt. Im Streitfall wurde keine „Notenstufe“ vereinbart, sondern eine Leistungsbewertung mit „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ und eine Führungsbeurteilung mit „stets einwandfrei“. Diese Kernformulierungen genügen den zwangsvollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen. Die Parteien haben klar festgelegt, welche Leistungs- und Führungsbeurteilung das Zeugnis enthalten soll. Es kann in dem Verfahren nach § 888 ZPO durch das für die Festsetzung des Zwangsgelds zuständige Prozessgericht ohne weiteres überprüft werden, ob diese Formulierungen im Zeugnis enthalten sind.

Beschluss des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24.01.2025

Aktenzeichen: 5 Ta 1/25