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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Erstattung von Entschädigungszahlungen an Arbeitnehmer wegen Corona-Quarantäne

Erstattung von Entschädigungszahlungen an Arbeitnehmer wegen Corona-Quarantäne

Arbeitgeber können vom Staat keine Erstattung von Zahlungen verlangen, die sie an ihre Arbeitnehmer für einen Zeitraum geleistet haben, in dem diese sich wegen des Verdachts der Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in häuslicher Quarantäne befanden, wenn den Arbeitnehmern ein Anspruch auf Weiterzahlung ihres Arbeitsentgelts zustand. Ein solcher Anspruch konnte sich aus § 616 Satz 1 BGB ergeben, wenn der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit an der Arbeitsleistung gehindert war; dies war im Frühsommer 2020 bei einer Quarantänedauer von bis zu 14 vollen Tagen der Fall.

Geklagt hatten Arbeitgeberunternehmen, die im Rahmen von Werkverträgen für Unternehmen der Fleischverarbeitung tätig wurden und im Jahr 2020 von diesen u.a. mit Zerlegungsarbeiten beauftragt worden waren. Im Mai und Juni 2020 wurde an zwei Standorten, an denen die Arbeitnehmer der klagenden Unternehmen eingesetzt waren, festgestellt, dass eine Vielzahl von Beschäftigten mit dem Coronavirus infiziert war. Als Reaktion hierauf ergingen gegenüber den Arbeitnehmern Anordnungen, sich in häusliche Quarantäne abzusondern.

Für die Dauer der Absonderungen leisteten die Arbeitgeberunternehmen u.a. an zwei Arbeitnehmer Zahlungen in Höhe des vereinbarten Arbeitsentgelts und führten Sozialversicherungsbeiträge ab. Anschließend beantragten sie beim beklagten Bundesland die Erstattung der gezahlten Beträge nach § 56 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG in der damals maßgeblichen Fassung sah vor, dass u.a. Personen, die auf Grundlage des IfSG als Ansteckungsverdächtige abgesondert wurden und dadurch einen Verdienstausfall erlitten, eine Entschädigung erhielten. Diese hatte der Arbeitgeber auszuzahlen, dem sie dann von Behördenseite erstattet wurde (§ 56 Abs. 5 IfSG). Die Erstattungsanträge der Arbeitgeber wurden von der zuständigen Behörde abgelehnt.

Das Verwaltungsgericht hatte den hiergegen erhobenen Klagen statt; das Obervrwaltungsgericht wies sie ab. Die betroffenen Arbeitnehmer hätten durch die Absonderung keinen Verdienstausfall erlitten, der für den Entschädigungsanspruch erforderlich sei. Die Arbeitgeber seien nach § 616 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet gewesen, ihren Arbeitnehmern für die Zeit der Absonderung (in dem einen Verfahren fünf Wochen, im anderen Verfahren 14 volle Tage) die im Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung weiter zu zahlen, weil sie für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in ihrer Person liegenden Grund ohne ihr Verschulden an der Dienstleistung verhindert gewesen seien.

Auf die Revision des Arbeitgebers im Verfahren mit dem Aktenzeichen 3 C 7.23 hob das Bundesverwaltungsgericht nun das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurück. In dem Verfahren mit dem Aktenzeichen 3 C 8.23 hatte die Revision des Arbeitgebers vor dem Bundesverwaltungsgericht keinen Erfolg.

Im Fall der fünfwöchigen Quarantäne (Verfahren mit dem Az. 3 C 7.23) hatte das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht angenommen, vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles sei regelmäßig eine bis zu sechs Wochen dauernde Absonderung eines Ansteckungsverdächtigen jedenfalls dann als verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit i.S.v. § 616 Satz 1 BGB zu qualifizieren, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Absonderung in einem unbefristeten, ungekündigten Arbeitsverhältnis außerhalb der Probezeit steht. Dies ist nicht mit Bundesrecht vereinbar. Welche Zeit der Verhinderung verhältnismäßig nicht erheblich i.S.d. § 616 Satz 1 BGB ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Hier kommt es insbesondere auf die Eigenart der Verhinderung an.

Danach war im Fall einer infektionsschutzrechtlichen Absonderungsverfügung wegen des Verdachts der Ansteckung mit SARS-CoV-2 im Frühsommer 2020 eine an der maximalen Inkubationszeit orientierte Absonderungsdauer von 14 vollen Tagen eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit i.S.d. § 616 Satz 1 BGB. Die fünfwöchige Quarantänedauer des Arbeitnehmers im Verfahren mit dem Aktenzeichen 3 C 7.23 schloss demzufolge einen Weiterzahlungsanspruch nach § 616 Satz 1 BGB aus. Ob der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Weiterzahlung nach § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB hatte, weil der Arbeitgeber für die Umstände, die den Ansteckungsverdacht und die daraus folgende Arbeitsverhinderung begründeten, allein oder weit überwiegend verantwortlich war, konnte das Gericht mangels tatsächlicher Feststellungen nicht entscheiden; die Sache war damit an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

Im Verfahren mit dem Aktenzeichen 3 C 8.23 war die Revision des Arbeitgebers demgegenüber zurückzuweisen, weil das Oberverwaltungsgericht angesichts der Quarantänedauer von 14 vollen Tagen im Ergebnis zu Recht angenommen hatte, dass dem Arbeitnehmer ein Weiterzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber nach § 616 Satz 1 BGB zustand, so dass der Arbeitgeber eine Erstattung nicht verlangen konnte.

Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.12.2024

Aktenzeichen: 3 C 7.23 u.a.