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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Erfüllung von diskriminierenden Kundenwünschen: Entschädigung gemäß AGG

Erfüllung von diskriminierenden Kundenwünschen: Entschädigung gemäß AGG

Will eine potentielle Kundin nicht von einer weiblichen Person, sondern von einem männlichen Berater betreut werden, hat die Arbeitgeberin im Rahmen ihrer Reaktionsmöglichkeiten grundsätzlich den Schutzpflichten nach § 12 Abs. 4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) nachzukommen. Tut sie dies nicht, kann der Entzug der potentiellen Kundin aus der Betreuungszuständigkeit der Arbeitnehmerin eine unmittelbare Benachteiligung i.S.d. § 3 Abs. 1 AGG durch die Arbeitgeberin darstellen, die einen Entschädigungsanspruch auslöst.

Einer angestellten Architektin, die zuletzt im Vertrieb einer Arbeitgeberin tätig war, wurde über das unternehmensinterne Verteilungssystem eine Bauinteressentin zugewiesen. Ihr Vorgesetzter, der Regionalleiter der Arbeitgeberin, informierte sie darüber, dass die Bauinteressentin keine Frau als Beraterin wolle. Daraufhin wurde die Bauinteressentin intern auf den Regionalleiter „überschrieben“.

Die Mitarbeiterin kontaktierte die AGG-Beschwerdestelle und schrieb den Kontakt mit der Bauinteressentin in der Folge wieder auf sich um. Diese beschwerte sich erneut beim Regionalleiter und am Ende blieb es dabei, dass die Bauinteressentin nicht mehr von der Mitarbeiterin betreut wurde. Dadurch entging der Mitarbeiterin eine Provision von rund 30.000 EUR entgangen. Die Bauinteressentin gab später an, dass ihr Wunsch nach einem Beraterwechsel darauf beruht habe, dass sie nach einem Telefonat kein gutes Gefühl gehabt habe und sie daher einen anderen Ansprechpartner bevorzugt habe. Sie habe im Ergebnis die richtige Entscheidung getroffen, bedauere allerdings ihre seinerzeitige Wortwahl – insbesondere, da sie selbst ja eine Frau sei.

Die Mitarbeiterin war der Ansicht, sie habe Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens nach § 15 Abs. 2 AGG i.H.v. sechs Bruttomonatsgehältern und damit 84.300 EUR wegen einer Diskriminierung durch die Bauinteressentin aufgrund ihres Geschlechts. Die Arbeitgeberin gab an, die Überschreibung des Kundenkontakts auf den Regionalleiter sei erfolgt, damit die Mitarbeiterin mit der Bauinteressentin nicht mehr habe in Berührung kommen müssen. Keinesfalls habe sie eine etwaige Diskriminierung durch die Bauinteressentin akzeptiert oder sich nicht etwa schützend vor die Mitarbeiterin gestellt.

Das Arbeitsgericht hatte die Klage auf Zahlung einer Entschädigung zurückgewiesen. Das Verhalten der Bauinteressentin sei der Arbeitgeberin nicht zuzurechnen. Auf die Berufung der Mitarbeiterin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil zu einem geringen Teil abgeändert und die Arbeitgeberin verurteilt, 1.500 EUR an die Mitarbeiterin  zu zahlen.

Die Klage war dem Grunde nach begründet, der Höhe nach aber nur zu einem geringen Teil.

Die Arbeitgeberin hatte die Mitarbeiterin unmittelbar i.S.v. § 3 Abs. 1 AGG wegen ihres Geschlechts und damit eines Merkmals nach § 7 Abs. 1 AGG i.V.m. § 1 AGG benachteiligt. Will eine potentielle Kundin nicht von einer weiblichen Person (Arbeitnehmerin), sondern von einem männlichen Berater betreut werden, hat die Arbeitgeberin im Rahmen ihrer Reaktionsmöglichkeiten grundsätzlich den Schutzpflichten nach § 12 Abs. 4 AGG nachzukommen. Tut sie dies nicht, kann der Entzug der potentiellen Kundin aus der Betreuungszuständigkeit der Arbeitnehmerin eine unmittelbare Benachteiligung i.S.d. § 3 Abs. 1 AGG durch die Arbeitgeberin darstellen, die einen Entschädigungsanspruch auslöst.

Der Regionalleiter hätte auf die Bauinteressentin zugehen und sie zu überzeugen versuchen können, dass es sich bei der Mitarbeiterin um eine sehr gute Betreuerin handelt. Er hätte sich – noch niederschwelliger – nach den Gründen für die Vorbehalte der Bauinteressentin gerade gegenüber Frauen erkundigen und so eruieren können, ob gerade die Mitarbeiterin aufgrund ihrer menschlichen und/oder fachlichen Qualifikation besonders gut geeignet gewesen wäre, die Ansprüche und Wünsche der Bauinteressentin zu erfüllen. Stattdessen hatte er jedoch deren Haltung, die zu einer Benachteiligung der Mitarbeiterin geführt hat, ungeprüft übernommen.

Insbesondere der Präventionszweck der Entschädigung ließ hier einen Betrag von 1.500 EUR als vollkommen ausreichend erscheinen. Eine Wiederholungsgefahr war nicht wahrscheinlich. 1.500 EUR sind auch kein nur symbolischer Betrag. Dabei durfte nicht der von der Mitarbeiterin geforderte Betrag von 84.300 EUR als Vergleichsmaßstab herangezogen werden. Denn dieser war überzogen und nicht mit besonderen Umständen des Einzelfalls von der Mitarbeiterin begründet.

Das Gericht hat die Revision für die Arbeitgeberin zugelassen.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 20.11.2024

Aktenzeichen: 10 Sa 13/24