Erfüllen Abschlagszahlungen auf Sondervergütungen den Mindestlohnanspruch?
Die Mitarbeiterin war der Ansicht, dass dadurch das Mindestlohngesetz ausgehebelt werden solle. Für die Umstellung des Auszahlungsmodus hätte die Arbeitgeberin die schriftliche Zustimmung der Mitarbeiterin einholen müssen. Eine solche sei jedoch ausdrücklich verweigert worden. Die Mitarbeiterin klagte beim Arbeitsgericht auf die Feststellung, dass ihr das anteilige hälftige Weihnachts- und Urlaubsgeld auch künftig zustehe sowie Zahlung rückständigen Lohnes i.H.v. 186,10 EUR.
Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Mitarbeiterin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil teilweise abgeändert und die Arbeitgeberin dazu verurteilt, an die Mitarbeiterin 37,22 EUR brutto nebst Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Berufung wurde zurückgewiesen. Für die Arbeitgeberin wurde die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
§ 3 Mindestlohngesetz (MiLoG) führt bei Unterschreitungen des gesetzlichen Mindestlohnes zu einem Differenzanspruch. Erreicht die vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte Vergütung den gesetzlichen Mindestlohn nicht, begründet dies von Gesetzes wegen einen Anspruch auf Differenzvergütung, wenn der Arbeitnehmer in der Abrechnungsperiode für die geleisteten Arbeitsstunden im Ergebnis nicht mindestens den in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG vorgesehenen Bruttolohn erhält. Dabei sind alle im Synallagma stehenden Entgeltleistungen des Arbeitgebers geeignet, den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Erfüllungswirkung fehlt solchen Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (z.B. § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz – ArbZG) beruhen. Insofern waren die neben dem Festlohn für den Januar 2022 an die Mitarbeiterin gezahlten Vergütungsbestandteile auf den Mindestlohnanspruch nicht anzurechnen.
Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin, der sich das Arbeitsgericht noch angeschlossen hatte, konnte sich die Arbeitgeberin zur Begründung der Mindestlohnwirksamkeit der ab Januar 2022 vorgenommenen monatlichen anteiligen Auszahlungen der Sonderzahlungen nicht auf § 271 Abs. 2 BGB berufen. Nach der Auslegungsregel wirkt eine (gesetzliche oder vertragliche) Bestimmung der Leistungszeit im Zweifel nur zugunsten des Schuldners. Die Zweifelsregelung in § 271 Abs. 2 BGB gestattet es einem Arbeitgeber gerade nicht, eine dem Arbeitnehmer bisher zustehende jährliche Einmalzahlung wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld kraft einseitiger Entscheidung stattdessen in anteilig umgelegten monatlichen Teilbeträgen zu gewähren, um sie pro rata temporis auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen zu können.
Die für die teilweise Klagestattgabe entscheidungserhebliche Frage, ob vor Eintritt ihrer Fälligkeit unwiderruflich und vorbehaltslos erbrachte Abschlagszahlungen auf Sondervergütungen für den Mindestlohn erfüllungswirksam sind, wird in der Rechtsliteratur teilweise bejaht, teilweise verneint. Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit dieser Frage soweit ersichtlich noch nicht befasst, insbesondere betraf dessen Urteil vom 25.05.2016 (Az. 5 AZR 135/16) einen anderen Sachverhalt, da der dortige Betriebsrat einer ratierlichen Zahlung der dortigen Sonderzahlungen im Wege einer Betriebsvereinbarung zugestimmt hatte, die das Bundesarbeitsgericht für wirksam erachtet hatte. Der hier entscheidungserheblichen Rechtsfrage kommt auch grundsätzliche Bedeutung zu. Die teilweise Klageabweisung beruhte nicht auf der Beantwortung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung. Für die Mitarbeiterin war die Revision deshalb nicht zuzulassen.