Einsetzung einer Einigungsstelle wegen mobilem Arbeiten im Ausland
„Eine Tätigkeit in Form der mobilen Arbeit im Ausland ist möglich, wenn sie nach Prüfung der Rahmenbedingungen gemäß den Regelungen dieser Betriebsvereinbarung zugelassen werden kann und keine erheblichen betrieblichen Gründe entgegenstehen. Die Anträge werden wohlwollend geprüft. Lehnt der D-PT die mobile Arbeit im Ausland ab, so legt er gegenüber dem Betriebsrat die hierfür maßgeblichen rechtlichen und / oder betrieblichen Gründe offen.“
Unter § 3 Nr. 1 der Betriebsvereinbarung haben die Beteiligten vereinbart:
„Mitarbeitende haben nach Maßgabe dieser Betriebsvereinbarung bei Vorliegen der nachfolgend genannten funktionalen Voraussetzungen einen kollektiv-rechtlichen, nicht individuell einklagbaren Anspruch darauf, ihre Tätigkeit in Form von flexibler Arbeit zu erbringen. Über den Anspruch auf Tätigwerden in Form flexiblen Arbeitens entscheidet nach vorherigem Durchlauf der Eskalationsstufen die Clearingstelle abschließend. Das Recht des/der Mitarbeitenden zur Einlegung einer Beschwerde gem. §§ 84, 85 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bleibt unberührt.“
Am 11.09.2023 teilte der Vorstand des Arbeitgebers mit, dass zukünftig mobile Arbeit im Ausland nur in besonders gelagerten Härtefällen oder zur zielgerichteten Gewinnung von Fachpersonal aus dem Ausland im Einzelfall genehmigt werde, weil die notwendige Einzelfallprüfung einen besonderen hohen administrativen Aufwand und außerordentlich hohe Kosten verursachten, so dass betriebliche Gründe den Einzelfallprüfungen entgegenstünden.
Der Arbeitnehmer Dr. K stellte am 28.09.2023 einen Antrag auf mobiles Arbeiten an fünf Arbeitstagen in der Ferienwohnung seiner Familie in S/Italien für die zweite Januarhälfte 2024 (hilfsweise für Februar oder März). Die Personalabteilung lehnte den Antrag ab. Mit der mobilen Arbeit im Ausland würde kein Fall sozialer Härte verhindert. Daraufhin legte Herr Dr. K beim Betriebsrat Beschwerde aufgrund der arbeitgeberseitigen Behandlung seines Antrags gem. § 85 BetrVG ein; für die Beschränkung mobilen Arbeitens im Ausland auf „Fälle sozialer Härte“ gebe es in der Betriebsvereinbarung keine Grundlage, so dass die Ablehnung rechtswidrig sei. Der Betriebsrat beschloss, dass er die Beschwerde für berechtigt ansehe, und für den Fall, dass kein Einvernehmen hinsichtlich der Berechtigung der Beschwerde erzielt werden könne, die Einigungsstelle anzurufen.
Das Arbeitsgericht gab dem Antrag des Betriebsrats auf Einrichtung einer Einigungsstelle statt. Die Beschwerde des Arbeitgebers vor dem Landesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg.
Nach § 85 Abs. 2 Satz 1 BetrVG kann ein Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen, wenn zwischen ihm und dem Arbeitgeber Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Beschwerde eines Arbeitnehmers bestehen. Sinn und Zweck dieses Einigungsstellenverfahrens bestehen in der Eröffnung eines Wegs zur Beilegung eines betrieblichen Regelungskonflikts. Hat ein Arbeitnehmer die Veränderung eines ihn beeinträchtigenden betrieblichen Zustands angemahnt, soll mit dem Einigungsstellenverfahren eine zusätzliche Überprüfung der Berechtigung der Beschwerde durch eine dritte Stelle ermöglicht werden. Im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat legt der Spruch der Einigungsstelle die Meinungsverschiedenheit bei.
Stellt die Einigungsstelle die Berechtigung der Beschwerde fest, wird der Arbeitgeber zum Ergreifen geeigneter Abhilfemaßnahmen verpflichtet. Darin besteht die Konfliktlösung durch die Einigungsstelle. Dies kann jedoch aus rechtsstaatlichen Gründen nicht in den Fällen gelten, in denen eine Beschwerde eine rechtliche Auseinandersetzung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Gegenstand hat. Denn in einem solchen Fall darf weder dem Arbeitgeber noch dem Arbeitnehmer der Rechtsweg abgeschnitten werden. Zur Durchsetzung von Rechtsansprüchen dient allein der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen.
Vorliegend hat die Beschwerde des Herrn Dr. K keine rechtliche Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Arbeitgeber zum Gegenstand. Herr Dr. K hat keinen Anspruch auf ein mobiles Arbeiten im Ausland. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus einer gesetzlichen oder tariflichen Bestimmung noch aus einer vertraglichen Vereinbarung der Parteien oder dem arbeitsvertraglichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Ein Anspruch des Herrn Dr. K auf mobiles Arbeiten resultiert auch nicht gem. § 77 Abs. 4 BetrVG aus der Betriebsvereinbarung vom 22.06.2022. Diese schließt ein mobiles Arbeiten im Ausland nach § 2 Nr. 3 Buchst. lediglich nicht von vorneherein aus. § 3 Nr. 1 der Betriebsvereinbarung bestimmt hingegen ausdrücklich, dass den Arbeitnehmern lediglich ein kollektiv-rechtlicher, nicht hingegen ein individuell einklagbarer Anspruch zusteht.
Damit bringt die Betriebsvereinbarung zum Ausdruck, dass sie nur das kollektivrechtliche Verhältnis der Beteiligten untereinander gestalten will. Das individualrechtliche Schuldverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien nimmt sie von ihrer unmittelbar und zwingenden Wirkung aus. Auch wenn einem mobilen Arbeiten nach der Betriebsvereinbarung nichts im Wege steht, soll der Arbeitnehmer keinen einklagbaren Anspruch darauf haben. Damit ist zugleich ausgeschlossen, dass die Beschwerde eines Arbeitnehmers wegen der Ablehnung von mobilem Arbeiten eine rechtliche Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Arbeitgeber zum Gegenstand hat. Der Arbeitgeber hat hier der Beschwerde des Herrn Dr. K nicht abgeholfen. Denn er hat nicht erklärt, dass er die Beschwerde als berechtigt ansehe und demgemäß das mobile Arbeiten in S genehmigt, sondern lediglich die Ablehnungsgründe näher erläutert. Dem Anliegen des Herrn Dr. K hat der Arbeitgeber damit nicht in voller Hinsicht Rechnung getragen.