Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes bei Vertrauensarbeitszeit von Außendienstmitarbeitern
Der Betriebsrat hat zur Kontrolle der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes Anspruch auf Auskunft über Arbeitszeiten von Außendienstmitarbeitern gegen den Arbeitgeber. Dieser Anspruch besteht auch bei vereinbarter Vertrauensarbeitszeit.
Der Betriebsrat forderte von dem Arbeitgeber Aufzeichnungen über die Arbeitszeiten von Außendienstmitarbeitern. Die Gesamtbetriebsvereinbarung des Unternehmens sah allerdings Vertrauensarbeitszeit vor. Die Beschäftigten können innerhalb des Arbeitszeitrahmens selbst bestimmen, wann sie arbeiten. Sie sind aber zur Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes verpflichtet und müssen Aufzeichnungen über Arbeitstage vorhalten, an denen sie mehr als acht Stunden gearbeitet haben. Der Arbeitgeber verweigerte dem Betriebsrat die Auskünfte mit dem Hinweis darauf, dass für die Außendienstmitarbeiter keine Arbeitszeitdaten erfasst würden, da für diese die Vertrauensarbeitszeit gelte.
Das Landesarbeitsgericht bestätigte den Auskunftsanspruch des Betriebsrats.
Der Betriebsrat kann Auskunft über die Arbeitszeiten der Vertriebsaußendienstmitarbeiter insoweit verlangen, als ihm Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Über- und Unterstunden gegenüber der wöchentlichen Arbeitszeit sowie Sonn- und Feiertagsstunden mitzuteilen sind. Der Anspruch ergibt sich aus § 80 Abs. 2 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Vorliegend sind Aufgaben des Betriebsrats gegeben. Zu den Aufgaben des Betriebsrats gehört die Überprüfung, ob die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen entsprechend § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eingehalten werden. Hier beruft sich der Beteiligte zu 1) darauf, die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes, namentlich §§ 5 Abs. 1, 7 Arbeitszeitgesetz (ArbZG), überwachen zu wollen. Die verlangten Informationen sind zur Durchführung dieser Überwachungsaufgabe erforderlich. Zur Kontrolle der Einhaltung der nach § 5 Abs. 1 ArbZG vorgegebenen Ruhezeiten muss er um Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Mitarbeiter wissen. Die Erfüllung des Anspruchs ist dem Arbeitgeber, anders als dieser meint, nicht unmöglich. Die Tatsache, dass sie die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer nicht erfasst, steht dem Anspruch nicht entgegen. In der Gesamtbetriebsvereinbarung ist vereinbart, dass die Mitarbeiter im Vertriebsaußendienst innerhalb des festgelegten Arbeitszeitrahmens die Arbeitszeiten selbst bestimmen. Eine Arbeitszeiterfassung durch den Arbeitgeber erfolgt nicht; die Mitarbeiter sind allein zur Aufschreibung derjenigen Arbeitstage verpflichtet, in denen sie mehr als acht Stunden gearbeitet haben. Über die Pflicht des Arbeitgebers zur Auskunft gegenüber dem Betriebsrat ist damit jedoch nichts gesagt. Zwar ist eine Information grundsätzlich nur dann zur Verfügung zu stellen, wenn der Schuldner tatsächlich über sie verfügt. Doch gilt dann etwas anderes, wenn der Arbeitgeber die notwendigen Daten nur deshalb nicht hat, weil er sie nicht erheben will. Die Zurückhaltung der Erhebung im Zusammenhang mit der Vertrauensarbeitszeit ist ein Zugeständnis des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern, das nicht das betriebsverfassungsrechtliche Verhältnis zum Betriebsrat beeinflussen kann. Dies gilt umso mehr, als die Informationen jedenfalls bei den Arbeitnehmern liegen und vom Arbeitgeber unschwer beschafft werden können. In einem solchen Fall kann die den Arbeitnehmern versprochene Zurückhaltung dadurch eingehalten werden, dass eine inhaltliche Kontrolle der Angaben durch den Arbeitgeber nicht erfolgen; wie in § 16 AZG kann auch hier eine Delegation der Verpflichtung erfolgen. Ein anderweitiger gesetzgeberischer Wille ist nicht erkennbar: zwar ist der deutsche Gesetzgeber bisher nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 14.05.2019 (C-55/18), wonach Arbeitgeber gegenüber ihren Mitarbeitern zur Erfassung der Arbeitszeit verpflichtet seien, bisher noch nicht regelnd tätig geworden. Dies schließt aber einen Anspruch des Betriebsrats nicht aus, der nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung schon bisher gegeben war und dessen Sinn, die Arbeitnehmer noch von anderer Seite zu schützen, nicht zu beanstanden ist.
Der Betriebsrat hat Anspruch auf Überlassung der Unterlagen zu Arbeitszeiten, die über die täglichen acht Stunden hinausgehen. Der Anspruch ergibt sich aus § 16 Abs. 2 ArbZG.
Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 11.07.2022
Aktenzeichen: 4 TaBV 9/22