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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Dauerhafte Personalgestellung nach Ausgliederung in eine Service GmbH

Dauerhafte Personalgestellung nach Ausgliederung in eine Service GmbH

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich mit der Frage befasst, ob die dauerhafte Zurverfügungstellung eines Arbeitnehmers an ein Drittunternehmen, zu dem seine Aufgaben endgültig verlagert wurden, unter Beibehaltung seines ursprünglichen Arbeitsvertrags unter die Leiharbeitsrichtlinie fällt.

Die beklagte ALB FILS Kliniken GmbH betreibt eine Klinik, einziger Gesellschafter ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Kläger ist ein seit April 2000 dort beschäftigter Mitarbeiter. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 13.09.2015 (TVöD) Anwendung.

Im Juni 2018 gliederte die Arbeitgeberin die Bereiche „Poststelle“, „Archiv“ und „Bibliothek“ sowie die in diesen Bereichen von dem Mitarbeiter wahrgenommenen Aufgaben auf eine von ihr gegründete Service-GmbH aus. Diese Verlagerung hätte grundsätzlich zur Folge gehabt, dass das zwischen dem Mitarbeiter und der Arbeitgeberin bestehende Arbeitsverhältnis auf die Service-GmbH übergegangen wäre. Der Mitarbeiter machte jedoch von seinem Recht Gebrauch, dem Übergang dieses Arbeitsverhältnisses zu widersprechen, so dass es gegenüber der Arbeitgeberin fortbestand. Allerdings war der Mitarbeiter verpflichtet, seine Arbeitsleistung bei der Service-GmbH zu erbringen, die in diesem Kontext sowohl in fachlicher als auch in organisatorischer Hinsicht über eine Weisungsbefugnis ihm gegenüber verfügte. Nach dem TVöD war die Arbeitgeberin berechtigt, den Mitarbeiter der Service-GmbH dauerhaft zur Verfügung zu stellen, und diese durfte ihm Weisungen erteilen.

Der Mitarbeiter war der Ansicht, dass diese Regelung gegen das Unionsrecht und insbesondere gegen die Leiharbeitsrichtlinie 2008/104 verstoße, da sie eine dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung erlaube. Daher erhob er Klage auf Feststellung, dass er trotz der Verlagerung seines Aufgabenbereichs nicht verpflichtet sei, seine Arbeitsleistung dauerhaft bei der Service-GmbH zu erbringen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab. Hiergegen wandte sich der Mitarbeiter mit seiner Revision. Das Bundesarbeitsgericht setzte das Verfahren aus und legte dem Europäischen Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vor.

Der Europäische Gerichtshof entschied, dass Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b bis e der Leiharbeitsrichtlinie nicht auf Situationen wie die vorliegende anwendbar ist,

  • in der zum einen die Aufgaben eines Arbeitnehmers endgültig von seinem Arbeitgeber zu einem Drittunternehmen verlagert werden und
  • in der zum anderen dieser Arbeitnehmer – dessen Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber fortbesteht, weil er dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf das Drittunternehmen widersprochen hat – auf Verlangen des Arbeitgebers verpflichtet sein kann, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung dauerhaft bei dem Drittunternehmen zu erbringen, und dabei dem fachlichen und organisatorischen Weisungsrecht des Drittunternehmens unterliegen kann.

Damit ein Arbeitsverhältnis in den Anwendungsbereich der Leiharbeitsrichtlinie fällt, muss ein Arbeitgeber sowohl bei Abschluss des Arbeitsvertrags als auch bei jeder der tatsächlich vorgenommenen Überlassungen die Absicht haben, den betreffenden Arbeitnehmer einem entleihenden Unternehmen vorübergehend zur Verfügung zu stellen.

Diese Anforderungen waren vorliegend nicht erfüllt. Der Mitarbeiter war ursprünglich zur Erledigung von Aufgaben seines Arbeitgebers eingestellt worden. Dieser hatte bei Abschluss des Arbeitsvertrags nicht die Absicht, ihn einem entleihenden Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Zudem fehlt es an dieser Absicht nicht nur beim Abschluss des Vertrags, sondern auch bei der Überlassung an das Drittunternehmen, wenn – wie hier – das Arbeitsverhältnis zu dem Arbeitgeber nur deshalb fortbesteht, weil der Mitarbeiter von seinem Recht, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf dieses Drittunternehmen zu widersprechen, Gebrauch gemacht hat.

Folglich kann – vorbehaltlich der vom Bundesarbeitsgericht vorzunehmenden Prüfung – ein Arbeitsverhältnis wie das vorliegende nicht in den Anwendungsbereich der Leiharbeitsrichtlinie fallen, da die Arbeitgeberin keinerlei Absicht hatte, den Mitarbeiter einem entleihenden Unternehmen zur Verfügung zu stellen, und die betreffende Zurverfügungstellung auch nicht vorübergehend war. Die Richtlinie bezieht sich ausschließlich auf vorübergehende Arbeitsverhältnisse, Übergangsarbeitsverhältnisse oder zeitlich begrenzte Arbeitsverhältnisse und nicht auf Dauerarbeitsverhältnisse.

In einer Situation wie der vorliegenden, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die von einem Arbeitnehmer wahrgenommenen Aufgaben endgültig auf ein Drittunternehmen verlagert werden, können die mit der Leiharbeitsrichtlinie verfolgten Ziele der Flexibilität der Unternehmen, der Schaffung neuer Arbeitsplätze oder auch der Förderung des Zugangs der Leiharbeitnehmer zu unbefristeter Beschäftigung nicht relevant sein, da das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers, dessen Aufgaben verlagert wurden, fortbesteht. Außerdem kann der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf das Drittunternehmen widersprechen, was zur Folge hat, dass ihm sämtliche Arbeitsbedingungen erhalten bleiben, die für ihn vor der Verlagerung seiner Aufgaben galten. Daher ist auf diese Situation der in der Leiharbeitsrichtlinie vorgesehene Schutz der Leiharbeitnehmer nicht anwendbar.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 22.06.2023

Aktenzeichen: C-427/21