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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Bewerbungsunterlagen: Digitales Leserecht für den Betriebsrat ist ausreichend

Bewerbungsunterlagen: Digitales Leserecht für den Betriebsrat ist ausreichend

Der Arbeitgeber, der den Bewerbungsprozess um eine ausgeschriebene Stelle mithilfe eines Softwareprogramms digital durchführt, genügt seiner Pflicht zur Vorlage der Bewerbungsunterlagen an den Betriebsrat, wenn er dessen Mitgliedern für die Dauer des Zustimmungsverfahrens nach § 99 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) ein auf die im Programm hinterlegten Bewerbungsunterlagen bezogenes – mithilfe von zur Verfügung gestellten Laptops jederzeit nutzbares – Einsichtsrecht gewährt und die Möglichkeit besteht, Notizen anzufertigen.

Ein Unternehmen aus der Getränkeindustrie beschäftigt regelmäßig mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer. Die Mitglieder des Betriebsrats verfügen über Laptops, die sie für ihre Betriebsratstätigkeit nutzen können. Die Arbeitgeberin verwendet in ihrem Unternehmen eine Software zum „Recruiting“. Das Programm verwaltet u.a. Stellenausschreibungen und enthält ein internes und externes Bewerberportal. Bewerbungen, die in Papierform eingehen, werden digitalisiert.

Im Frühjahr 2021 hatte d ie Arbeitgeberin die Stelle eines „Prozess- und Projektspezialisten Technik“ ausgeschrieben. Hierauf gingen 33 externe Bewerbungen ein. Die „Bewerbungsunterlagen“ wurden im Programm „Recruiting“ hinterlegt. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung zu der geplanten Einstellung. Er sei nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden. Die „Bewerbungsunterlagen“ hätten ihm in Papierform vorgelegt werden müssen. Unabhängig hiervon bestünden auch Gründe für die Verweigerung der Zustimmung.

Das Arbeitsgericht hat dem Zustimmungsersetzungsantrag stattgegeben. Sowohl die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats vor dem Landesarbeitsgericht als auch die Rechtsbeschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht blieben erfolglos. Dem Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin war stattzugeben.

Das Zustimmungsverfahren war ordnungsgemäß eingeleitet worden. Die Arbeitgeberin kam ihrer Verpflichtung gem. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nach, dem Betriebsrat die erforderlichen „Bewerbungsunterlagen“ vorzulegen. Den Mitgliedern des Betriebsrats stand nach Nr. 8 der Anlage 3b zur KBV ein Einsichtsrecht in die dort näher aufgeführten „Datenfelder“ des Programms „Recruiting“ zu. Mithilfe der zur Verfügung stehenden Laptops konnten sie daher jederzeit die im Programm hinterlegten Anschreiben und Lebensläufe sowie – sofern übermittelt – Zeugnisse und Zertifikate der insgesamt 33 externen Bewerber um die Stelle eines „Prozess- und Projektspezialisten Technik“ einsehen. Anders als der Betriebsrat meinte, war die Arbeitgeberin nicht gehalten, ihm die „Bewerbungsunterlagen“ der Interessenten in Papierform vorzulegen. Dies ergab die Auslegung von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.

Der durch den Wortlaut der Norm vermittelte Wortsinn lässt erkennen, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat digital verfügbare „Bewerbungsunterlagen“ auch nur in dieser Form zur Verfügung stellen muss. Ein solches Verständnis entspricht auch Sinn und Zweck der Regelung. Dies gilt insbesondere, wenn der Arbeitgeber – wie hier – den Mitgliedern des Betriebsrats für die Dauer des Zustimmungsverfahrens nach § 99 BetrVG ein auf die digital vorhandenen „Bewerbungsunterlagen“ aller Interessenten bezogenes Einsichts- und Leserecht gewährt. Damit hat der Betriebsrat die Möglichkeit, sich diejenigen Informationen zu verschaffen, die er benötigt, um eine Stellungnahme nach § 99 Abs. 2 BetrVG abgeben zu können. Der jederzeit mögliche Zugriff auf die hinterlegten Bewerberdaten mithilfe der vorhandenen Laptops erlaubt es ihm, eigene Vorschläge für eine Auswahl zu unterbreiten oder auf Umstände hinzuweisen, die nach seiner Auffassung für einen anderen Bewerber sprechen.

Datenschutzrechtliche Erwägungen führten hier ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Das digitale Einsichtsrecht des Betriebsrats beschränkte sich auf diejenigen Unterlagen, die – wenn sie physisch vorhanden wären – dem Betriebsrat in dieser Form hätten überlassen werden müssen. Die darin liegende Datenverarbeitung ist nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c und Abs. 3 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) i.V.m. § 26 Abs. 1 Satz 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) erforderlich, weil sie der Erfüllung einer in § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorgesehenen Pflicht des Arbeitgebers dient. Zudem sind die Mitglieder des Betriebsrats in jedem Fall verpflichtet, über die ihnen in diesem Zusammenhang bekannt gewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer Stillschweigen zu bewahren.

Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 13.12.2023

Aktenzeichen: 1 ABR 28/22