Betriebsschließung: Massenentlassung und Sozialauswahl
Nachdem die Verhandlungen zum Abschluss eines Interessenausgleichs am 24.11.2022 durch Spruch der Einigungsstelle für gescheitert erklärt wurden, stellte die Beklagte am 28.11.2022 Anträge auf behördliche Zustimmungen zur betriebsbedingten Kündigung nach dem Sozialgesetzbuch IX (schwerbehinderte Menschen) und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (Elternzeit). Den Beschäftigten wurde die Gelegenheit eingeräumt, in eine Transfergesellschaft zu wechseln. Im Dezember 2022 sprach die Arbeitgeberin gegenüber allen Beschäftigten betriebsbedingte Beendigungskündigungen aus, soweit das Ende des Arbeitsverhältnisses nicht aus anderen Gründen feststand.
Alle Arbeitnehmer, auch der klagende Mitarbeiter dieses Verfahrens, wurden ab dem 01.01.2023 unwiderruflich von der Arbeit freigestellt. Ausgenommen waren die Beschäftigten des Abwicklungsteams, das ausweislich der von der Arbeitgeberin vorgelegten Anlage 53 Arbeitnehmer umfasste, wobei gegenüber dreizehn Personen Kündigungen zum 31.03.2023 und gegenüber den übrigen vierzig Personen Kündigungen zum 30.06.2023 ausgesprochen wurden. Das Arbeitsverhältnis des Mitarbeiters kündigte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 16.12.2022 zum 31.03.2023. Der Mitarbeiter klagte gegen die Kündigung.
Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt. Die Berufung der Arbeitgeberin hatte vor dem Landesarbeitsgericht keinen Erfolg. Das Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.
Bei einer etappenweisen Betriebsstillegung hat der Arbeitgeber keine freie Auswahl, wem er früher oder später kündigt. Es sind grundsätzlich die sozial schutzwürdigsten Arbeitnehmer mit den Abwicklungsarbeiten zu beschäftigen. Die Arbeitgeberin hatte vorliegend die Sozialauswahl methodisch fehlerhaft durchgeführt, weil sie die Vergleichsgruppen fehlerhaft gebildet hatte. Sie hatte diese u.a. anhand der ursprünglich ausgeübten Tätigkeiten gebildet. Sie hätte die soziale Auswahl stattdessen anhand der noch im Abwicklungsteam anfallenden Tätigkeiten vornehmen müssen, zu denen die Arbeitgeberin nur unvollständig vorgetragen hatte. Es fehlte weitgehend an Vortrag dazu, welche Aufgaben mit welcher Dauer im Abwicklungsteam anfielen, welche Anforderungsprofile dafür erforderlich waren und wie auf dieser Grundlage ein Vergleich vorgenommen werden soll. Die daraus folgende Vermutung der fehlerhaften Sozialauswahl hatte die Arbeitgeberin nicht widerlegt.