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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Betriebsratsanhörung bei Kündigung in den ersten 6 Monaten der Beschäftigung

Betriebsratsanhörung bei Kündigung in den ersten 6 Monaten der Beschäftigung

Bei einer Kündigung in den ersten 6 Monaten der Beschäftigung (sog. Wartezeit bis zum Eingreifen des gesetzlichen Kündigungsschutzes) muss der Betriebsrat zuvor angehört werden. Dabei ist die Substantiierungspflicht des Arbeitgebers aber nicht an den objektiven Merkmalen der Kündigungsgründe des noch nicht anwendbaren § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG), sondern allein an den Umständen zu messen, aus denen der Arbeitgeber subjektiv seinen Kündigungsentschluss herleitet. Dies folgt aus dem Grundsatz der subjektiven Determination.

Ein Mitarbeiter war seit dem o1.03.2022 bei einer Arbeitgeberin, die mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, als Verkäufer zu einem monatlichen Bruttogehalt von 2.228 EUR beschäftigt. In § 2 des Arbeitsvertrages war eine dreimonatige Probezeit mit einer zweiwöchigen Kündigungsfrist vereinbart.

Mit Schreiben vom 17.08.2022 hörte die Arbeitgeberin den Betriebsrat zu einer beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Mitarbeiters an. Zur Begründung der Kündigung führte die Arbeitgeberin in ihrem Anhörungsschreiben aus: „Auf das Arbeitsverhältnis findet das KSchG noch keine Anwendung. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist nicht in unserem Interesse.“ Der Betriebsrat nahm dazu am 24.08.2022 abschließend Stellung und wies darauf hin, dass er es aufgrund der geringen Besetzung in diesem Warenbereich nicht für tragbar halte, dem Mitarbeiter zu kündigen. Mit Schreiben vom 25.o8.2022 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 30.09.2022.

Der Mitarbeiter klagte gegen die Kündigung. Er war der Ansicht, dass die Kündigung gem. § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) als unwirksam sei, da der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Es sei auch während der Wartezeit nicht ausreichend, dem Betriebsrat lediglich mitzuteilen, „dass“ eine Kündigung ausgesprochen werden solle, sondern es müsse auch angegeben werden, „warum“ an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses kein Interesse mehr bestehe.

Das Arbeitsgericht hatte die gegen die Kündigung gerichtete Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung im Berufungsverfahren bestätigt.

Die innerhalb der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG erklärte Kündigung vom 25.08.2022 war wirksam und hat das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.09.2022 aufgelöst.

Der Mitarbeiter hatte den allgemeinen gesetzlichen Kündigungsschutz gem. § 1 KSchG noch nicht erworben, weil das Arbeitsverhältnis bei Zugang der Kündigung noch keine sechs Monate bestand. Die Kündigung vom 25.08.2022 bedurfte deshalb nicht der sozialen Rechtfertigung nach § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 KSchG. Sie erwies sich auch nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG als unwirksam. Der Betriebsrat war von der Arbeitgeberin am 17.08.2022 ausreichend über die Gründe der beabsichtigten Kündigung i.S.d. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG unterrichtet worden.

Die Kündigung war unstreitig innerhalb der gesetzlichen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG erfolgt. Auch in der gesetzlichen Wartezeit ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Betriebsrat vor einer beabsichtigten Kündigung zu hören. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, wonach der Betriebsrat „vor jeder Kündigung“ zu hören ist. Auch wenn ein individual-rechtlicher Kündigungsschutz nicht oder noch nicht besteht, soll der Betriebsrat in die Lage versetzt werden, auf den Arbeitgeber einzuwirken, um ihn gegebenenfalls mit besseren Argumenten von seinem Kündigungsentschluss abzubringen. Bei einer Kündigung in der Wartezeit ist die Substantiierungspflicht nicht an den objektiven Merkmalen der Kündigungsgründe des noch nicht anwendbaren § 1 KSchG, sondern allein an den Umständen zu messen, aus denen der Arbeitgeber subjektiv seinen Kündigungsentschluss herleitet. Dies folgt aus dem Grundsatz der subjektiven Determination.

Infolgedessen ist der Betriebsrat immer dann ordnungsgemäß angehört, wenn der Arbeitgeber ihm die Gründe mitgeteilt hat, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind (Bumndesarbeitsgericht, Urt. v. 12.09.2013, Az. 6 AZR 121/12 ). Diesen Kündigungsentschluss hat er regelmäßig unter Angabe von Tatsachen so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann. Schildert der Arbeitgeber dem Betriebsrat den seiner Kündigungsentscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt bewusst irreführend, ist die Anhörung unzureichend und die Kündigung unwirksam. Eine vermeidbare oder unbewusste Fehlinformation macht die Betriebsratsanhörung hingegen noch nicht unwirksam.

Somit genügte die Anhörung des Betriebsrats vom 17.08.2022 den Anforderungen. Sie enthielt die Sozialdaten des Mitarbeiters und die Mitteilung, dass das Kündigungsschutzgesetz noch keine Anwendung finde, ferner den Hinweis, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht im Interesse der Arbeitgeberin liege. Damit hatte die Arbeitgeberin ihre subjektive Entscheidung als Ergebnis ihrer Abwägungen – das Arbeitsverhältnis nicht über die Wartezeit hinaus fortsetzen zu wollen, weil dies nicht in ihrem Interesse liege – dem Betriebsrat vollständig und hinreichend deutlich mitgeteilt. Auf einzelne diesem Werturteil zugrundeliegenden Vorfälle hatte sich die Arbeitgeberin zur Rechtfertigung ihrer Kündigung nicht berufen. Ihre Vorüberlegungen, die zu ihrer Entscheidung geführt haben, das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Wartezeit zu kündigen, musste sie dem Betriebsrat entgegen der Auffassung des Mitarbeiters deshalb auch nicht mitteilen.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 08.09.2023

Aktenzeichen: 13 Sa 20/23