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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Beteiligung eines Piloten an den Kosten seiner Ausbildung

Beteiligung eines Piloten an den Kosten seiner Ausbildung

Vereinbarungen über die Beteiligung eines Arbeitnehmers an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen. Dies gilt auch für Klauseln, die eine unbedingte Kostenbeteiligung zum Gegenstand haben.

Ein seit Juni 2017 bei einer Fluggesellschaft beschäftigter Pilot hatte seine fliegerische Grundschulung auf der Grundlage eines im Juni 2009 abgeschlossenen Schulungsvertrags bei einer Tochtergesellschaft der Arbeitgeberin begonnen. Gleichzeitig schlossen der Pilot und seine Arbeitgeberin einen Darlehensvertrag über 60.000 EUR ab. Das Darlehen war vollständig und ausschließlich für die Zahlung des Eigenanteils des Mitarebeiters an den Ausbildungskosten i.H.v. 60.000 EUR vorgesehen. Der Mitarbeiter setzte seine Ausbildung nach der Grundschulung fort, nachdem er mit der Arbeitgeberin im April 2012 einen weiteren Schulungsvertrag geschlossen hatten. Die Schulungskosten betrugen 55.000 EUR. Hierzu war geregelt, dass der Mitarbeiter zur Zahlung der angefallenen Schulungskosten verpflichtet sei, wenn er ein Arbeitsvertragsangebot nicht annehme, oder er den Arbeitsvertrag vor Ablauf eines Beschäftigungsjahres beende.

Der Mitarbeiter meinte, er sei nicht zur Rückzahlung des zum Zweck der Finanzierung seiner Schulung zum Piloten gewährten Darlehens verpflichtet. Der Darlehensvertrag zum Schulungsvertrag benachteilige ihn unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Beide Verträge bildeten ein rechtlich einheitliches Vertragskonstrukt, bei dem ihm aufgrund der bei Vertragsabschluss noch geltenden Operatorbindung das Kostenrisiko für eine wertlose Teilschulung auferlegt worden sei. Zudem führe die Regelung zur Kostentragung zu einer unzulässigen Bindung des Mitarbeiters an das Vertragsverhältnis mit der Arbeitgeberin bzw. ihrer Konzernunternehmen und verletze das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Die Arbeitgeberin war der Auffassung, die vom Mitarbeiter in Anspruch genommenen Schulungsleistungen seien werthaltig und hätten ihm Vorteile auf dem Markt eröffnet. Angesichts der Kosten von 110.000 bis 140.000 EUR für eine vergleichbare Pilotenschulung auf dem allgemeinen Markt sei eine Kostenbeteiligung von 60.000 EUR nicht unangemessen. Der Darlehensvertrag sehe auch keine unzulässige Bindungsfrist an die Arbeitgeberin vor. Dem Mitarbeiter habe es freigestanden, einen Anstellungsvertrag mit einer anderen Fluggesellschaft abzuschließen.

Das Arbeitsgericht hatte der Klage der Arbeitgeberin auf Rückzahlung der bereits gezahlten 19.607 EUR stattgegeben. Auf die Berufung des Mitarbeiters hatte das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Arbeitgeberin hat das Bundesarbeitsgericht das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Zwar hatte das Landesarbeitsgericht zunächst zutreffend erkannt, dass Schulungsvertrag und Darlehensvertrag ein einheitliches Rechtsgeschäft bildeten. Es hatte auch ohne Rechtsfehler erkannt, dass der einheitliche Vertrag einer AGB-Kontrolle anhand der Vorgaben in § 307 Abs. 1 BGB zu unterziehen war. Allerdings beruhte die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Bestimmungen in § 10 Abs. 1 des Schulungsvertrags und zur Rückzahlungspflicht in § 3 des Darlehensvertrags benachteiligten den Mitarbeiter unangemessen, auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Vereinbarungen über die Beteiligung eines Arbeitnehmers an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen. Dies gilt auch für Klauseln, die eine unbedingte Kostenbeteiligung zum Gegenstand haben (BAG, Urt. v. 05.09.2023, Az. 9 AZR 350/22; Urt. v. 25.01.2022, Az. 9 AZR 144/21). Das Landesarbeitsgericht war danach rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, der Mitarbeiter werde unangemessen benachteiligt, weil er auch dann zur Rückzahlung verpflichtet sei, wenn die Arbeitgeberin ihm nach Abschluss der Grundschulung aus betrieblichen Gründen (§ 13 Abs. 2 des Schulungsvertrags) keine Folgeschulung anbiete. Bei der Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen hatte es übersehen, dass in diesem Fall der Rückzahlungsverzicht nach § 5 Abs. 6 des Darlehensvertrags greift (BAG, Urt. v. 05.09.2023, Az. 9 AZR 350/22).

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts trägt der Vertragspartner der Arbeitgeberin kein unmittelbares wirtschaftliches Risiko, wenn ihm keine „weiteren Schulungen“ nach § 13 des Schulungsvertrags angeboten werden. Bis zu dem Angebot, ihn in ein Cockpit-Arbeitsverhältnis zu übernehmen, ist der Vertragspartner nicht zur Rückzahlung verpflichtet. § 3 Abs. 1 des Darlehensvertrags bestimmt, dass die Darlehensforderung für die Schulungsdauer und darüber hinaus bis zum Beginn eines Arbeitsverhältnisses als Flugzeugführer innerhalb oder außerhalb des Konzerns zins- und tilgungsfrei gestellt wird. Auch danach setzt die Rückzahlungspflicht nicht ein, bevor nicht dem Piloten, der auch die Phasen 3 und 4 der Schulung erfolgreich absolviert hat, ein Arbeitsvertrag angeboten wird (BAG, Urt. v. 05.09.2023, Az. 9 AZR 350/22).

Schließlich hielt auch die Ansicht des Landesarbeitsgerichts, der zufolge im Rahmen der Gesamtabwägung der wechselseitigen Interessen zu berücksichtigen sei, dass durch den Darlehensvertrag ein unzulässiger „Bleibedruck“ ausgeübt werde, einer revisionsrechtlichen Kontrolle nicht stand. Die Ausbildungskosten für den zweiten Schulungsteil konnten nicht in die Angemessenheitskontrolle einbezogen werden. Der Vertrag wurde im April 2012 und damit deutlich nach dem ersten Schulungsvertrag und dem Darlehensvertrag aus Juni 2009 abgeschlossen. Er stellte einen selbständigen Vertrag mit einer eigenständigen Rückzahlungsregelung dar. Auf die Kostenregelung in der erst später getroffenen Regelung kam es nicht an. Auszugehen war bei der AGB-Kontrolle von den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (BAG, Urt. v. 18.03.2008, Az. 9 AZR 186/07). Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hatte, dass während der „Bindungsdauer“ der Piloten, der die Grundausbildung durchlaufen hat, „wegen des Rückzahlungsrisikos anderweitigen Zwischenverdienst nicht erzielt“, war dies in dieser Pauschalität unzutreffend.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.08.2024
Aktenzeichen: 9 AZR 259/23