Benachteiligung bei Überstundenzuschlägen: Teilzeitkräften steht höhere Vergütung zu
Das Arbeitszeitkonto der Mitarbeiterin wies Ende März 2018 ein Arbeitszeitguthaben von 129 Stunden und 24 Minuten aus. Der Arbeitgeber hatte der Mitarbeiterin für diese Zeiten in Anwendung von § 10 Ziff. 7 Satz 2 MTV weder Überstundenzuschläge gezahlt noch im Arbeitszeitkonto eine Zeitgutschrift vorgenommen. Die Mitarbeiterin verlangte, ihrem Arbeitszeitkonto als Überstundenzuschläge weitere 38 Stunden und 39 Minuten gutzuschreiben und begehrte die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Höhe eines Vierteljahresverdienstes. Sie war der Ansicht, die Anwendung von § 10 Ziff. 7 Satz 2 MTV benachteilige sie wegen ihrer Teilzeit unzulässig gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten. Zugleich werde sie wegen ihres Geschlechts mittelbar benachteiligt, denn der Beklagte beschäftige überwiegend Frauen in Teilzeit.
Das Arbeitsgericht hatte die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hatte der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift zuerkannt und hinsichtlich der begehrten Entschädigung die Klageabweisung bestätigt. Hiergegen war Revision zum Bundesarbeitsgericht eingelegt worden. Mit Beschluss vom 28.10.2021 (Az. 8 AZR 370/20 (A) – BAGE 176, 117) hatte das Bundesarbeitsgericht das Revisionsverfahren ausgesetzt und den Europäischen Gerichtshof um die Beantwortung von Rechtsfragen betreffend die Auslegung des Unionsrechts ersucht. Dies hatte der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 29.07.2024 (Az. C-184/22 und C-185/22 [KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e.V.]) getan. Die Revision der Mitarebeiterin war infolgedessen teilweise erfolgreich.
Auf der Grundlage der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs musste das Bundesarbeitsgericht davon ausgehen, dass § 10 Ziff. 7 Satz 2 MTV insoweit wegen Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten unwirksam ist, als er bei Teilzeitbeschäftigung keine der Teilzeitquote entsprechende anteilige Absenkung der Grenze für die Gewährung eines Überstundenzuschlags vorsieht. Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung konnte das Bundesarbeitsgericht nicht erkennen. Die sich aus dem Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ergebende Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Überstundenzuschlagsregelung führte zu einem Anspruch der Mitarbeiterin auf die eingeklagte weitere Zeitgutschrift.
Außerdem war ihr eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zuzuerkennen. Denn durch die Anwendung der tarifvertraglichen Regelung hatte die Mitarbeiterin auch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts erfahren. In der Gruppe der beim Arbeitgeber in Teilzeit Beschäftigten, die dem persönlichen Anwendungsbereich des MTV unterfallen, sind zu mehr als 90% Frauen vertreten. Als Entschädigung war ein Betrag in Höhe von 250,00 EUR festzusetzen. Dieser war als erforderlich, aber auch ausreichend anzusehen, um einerseits den der Mitarbeiterin durch die mittelbare Geschlechtsbenachteiligung entstandenen immateriellen Schaden auszugleichen und andererseits gegenüber dem Arbeitgeber die gebotene abschreckende Wirkung zu entfalten.
Das Bundesarbeitsgericht hat auch über die weitgehend parallel gelagerte Rechtssache mit dem Aktenzeichen 8 AZR 372/20 entschieden und der dortigen Klägerin ebenfalls die verlangte Zeitgutschrift und eine Entschädigung in Höhe von 250,00 EUR zugesprochen.