Rechtsanwalt Dr. von Harbou

Vertrauen ist eine unverzichtbare Voraussetzung für eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit. Geben Sie mir die Gelegenheit, Sie von mir und meinen Fähigkeiten zu überzeugen. Gerne vereinbare ich mit Ihnen einen ersten Termin, in dem wir Ihr Anliegen besprechen und ich Sie anschließend über die rechtlichen Möglichkeiten, Erfolgsaussichten, Risiken und Kosten informiere.

Geschäftszeiten

Montag - Freitag 09:00 -18:00 Uhr
Samstag - Sonntag Geschlossen

Aktueller Rechtsblog

Top
Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Bemessung des Schadensersatzes für die Nichtbeschäftigung von Profisportlern

Bemessung des Schadensersatzes für die Nichtbeschäftigung von Profisportlern

Die für den Bereich der Bühnenkünstler entwickelte Rechtsprechung zum pauschalierten Schadensersatz von bis zu sechs Monatsgagen pro Spielzeit bei einer Verletzung des Beschäftigungsanspruchs kann nicht auf den Profimannschaftssport übertragen werden.

Ein Eishockeyspieler war seit der Saison 2017/2018 als Eishockeyprofi in der DEL 2 mit einer monatlichen Bruttovergütung von ca. 6.400 € beschäftigt. Im Juni 2020 hatte die Arbeitgeberin dem Spieler eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen. Gleichzeitig hatte sie ihm angeboten, das Arbeitsverhältnis mit einer verringerten Vergütung fortzusetzen. Hintergrund waren die aufgrund der Corona-Pandemie verringerten Einnahmen der Vereine. Der Spieler nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen an und erhob eine Änderungsschutzklage.

Letztlich waren die Kündigungsschutzklagen – auch gegen eine später ausgesprochene außerordentliche Kündigung – erfolgreich, jedoch wurde der Spieler zeitweilig daran gehindert, am Mannschaftstraining sowie am Spielbetrieb teilzunehmen. Er vertrat die Ansicht, aufgrund der Weigerung der Arbeitgeberin, ihn vertragsgemäß zu beschäftigen, habe er einen Anspruch auf Schadensersatz. Durch die unterbliebene Beschäftigung sei ihm ein Schaden in seinem beruflichen Fortkommen entstanden. Der Schaden sei nach den von der Rechtsprechung für Bühnenkünstler entwickelten Grundsätzen zu bemessen, die auf Profimannschaftssportler zu übertragen seien. Er habe als Eishockeyprofi seine beruflichen Fertigkeiten nicht im Mannschaftstraining weiterentwickeln und verbessern können. Dadurch habe sein Marktwert gelitten, denn ein Profimannschaftssportler bedürfe der ständigen Trainingspraxis. Hintergrund der Suspendierung sei ausschließlich gewesen, dass er eine Entgeltkürzung infolge der Coronapandemie nicht akzeptiert habe. Nach den von der Rechtsprechung für Bühnenkünstler entwickelten Rechtsgrundsätzen sei sein Schaden pauschal mit sechs Bruttomonatsvergütungen zu bemessen.

Das Arbeitsgericht hatte der Schadensersatzklage teilweise stattgegeben, das Landesarbeitsgericht die von dem Spieler geführte Berufung zurückgewiesen. Die Revision des Spielers hatte vor dem Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg.

Zwar hatte die Arbeitgeberin die ihr aus dem Arbeitsverhältnis obliegende Pflicht i.S.v. § 280 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verletzt, den Spieler entsprechend seinem Arbeitsvertrag zu beschäftigen. Der Spieler hatte jedoch keinen Anspruch auf weiteren Schadensersatz gegen die Arbeitgeberin, da er schon nicht ausreichend dargelegt hatte, dass ihm infolge der Verletzung der Beschäftigungspflicht ein Schaden i.S.v. §§ 249 ff. BGB entstanden war.

Das Landesarbeitsgericht hatte seiner Entscheidung einen unrichtigen Maßstab zugrunde gelegt, als es davon ausgegangen war, Schadensersatzansprüche von Profimannschaftssportlern seien in Anlehnung an die Rechtsprechung für Bühnenkünstler pauschalierend festzusetzen.

Die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit hat in jahrzehntelanger Praxis Maßstäbe für eine angemessene Schätzung nach § 287 der Zivilprozessordnung (ZPO) entwickelt (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18.03.1999, Az. 8 AZR 344/98). Für eine Spielzeit, während derer der Künstler nicht beschäftigt wurde, wird nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Schadensbetrag von bis zu sechs Monatsgagen festgesetzt. Diese auf die besondere Situation von Bühnenkünstlern zugeschnittene, von der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit entwickelte und vom Bundesarbeitsgericht gebilligte, stark pauschalierende Anwendung von § 287 ZPO kann nicht auf professionelle Mannschaftssportler übertragen werden. Es bestehen in Bezug auf einen möglichen Schaden infolge pflichtwidrig unterbliebener Beschäftigung zwischen Bühnenkünstlern und Profimannschaftssportlern Unterschiede, die einer Übertragung der auf Bühnenkünstler zugeschnittenen Rechtsprechung entgegenstehen. Für eine Schätzung des Schadens nach § 287 ZPO, der einem Profimannschaftssportler infolge seines Ausschlusses vom Mannschaftstraining entsteht, bedarf es greifbarer Anknüpfungstatsachen. Der Spieler hatte weder greifbare Anknüpfungstatsachen, die eine Schätzung des Schadens nach § 287 ZPO ermöglichen, noch ausreichend Vortrag gehalten, der eine Aufhebung des angefochtenen Urteils und eine Zurückverweisung der Sache zur Ermöglichung weiteren Vortrags rechtfertigen könnte.

Die Sache war nicht an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, um dem Spieler Gelegenheit zu geben, hierzu weiter ergänzend vorzutragen. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass die Vorinstanzen eine pauschalierende Schadensschätzung nach den für Bühnenkünstler geltenden Grundsätzen vorgenommen hatten. Der Spieler hätte gleichwohl ohne gerichtlichen Hinweis in Betracht ziehen müssen, dass das Gericht die von ihm befürwortete Übertragung der Rechtsprechung für Bühnenkünstler auf Profimannschaftssportler ablehnen könnte und nähere Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO erforderlich sein könnten.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 29.02.2024

Aktenzeichen: 8 AZR 359/22