Bedeutung des Begriffs „Niederschlagung“ einer weitergehenden Zahlungsverpflichtung
Die Arbeitgeberin hatte arbeitsrechtlich erstinstanzlich Forderungen gegenüber dem Mitarbeiter i.H.v. 478.000 EUR titulieren lassen. Dagegen wurde Berufung eingelegt. Im strafgerichtlichen Urteil wurde angegeben, dass die Arbeitgeberin durch die Taten einen Schaden von insgesamt über 2,7 Mio. EUR erlitten hatte. Die arbeitsgerichtlichen Verfahren konnten in der Sitzung des Mediationsverfahrens vor dem Güterichter durch Vergleichsabschluss am 25.11.2013 beendet werden. Der Vergleich lautete u.a.:
- Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Vertragsverhältnis mit Wirkung zum 30.06.2011 sein Ende gefunden hat.
- Die statusrechtliche Einordnung des Klägers bleibt ausdrücklich offen.
- Der Kläger verpflichtet sich an die Beklagte 2,7 Mio. EUR zu zahlen.
- Die Beklagte verpflichtet sich die unter Ziffer 3 genannte Summe niederzuschlagen sofern der Kläger 260.000 EUR an die Beklagte zahlt.
Der Mitarbeiter hat die 260.000 EUR bis zum 31.12.2019 an die Arbeitgeberin entrichtet. Durch die Einleitung eines weiteren Vollstreckungsverfahrens im Jahr 2020 hat die Arbeitgeberin zum Ausdruck gebracht, dass durch die Zahlung der oben genannten Summe nach ihrer Rechtsauffassung der Vergleich noch nicht erfüllt sei. Der Mitarbeiter hielt dagegen, dass die Parteien in der Güterichterverhandlung einen sog. Monte-Carlo-Vergleich abgeschlossen hätten. Sämtliche Forderungen der Arbeitgeberin gegenüber dem Mitarbeiter seien durch die Zahlung von 260.000 EUR bis zum 31.12.2019 erledigt.
Das Arbeitsgericht hat die gegen die weitere Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vor dem Thüringer Landesarbeitsgericht vom 25.11.2013 gerichtete Klage abgewiesen.
Die Möglichkeit einer weitergehenden Zwangsvollstreckung aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich vom 25.11.2013 ist für die Arbeitgeberin nach wie vor eröffnet. Die im Vergleich festgehaltene Zahlungsverpflichtung des Mitarbeiters i.H.v. 2,7 Mio. EUR ist durch die mittlerweile erfolgte Zahlung von 260.000 EUR noch nicht erfüllt. Der Restbetrag steht nach wie vor offen. Im Ergebnis der Beweisaufnahme stand zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass durch die Formulierung „Die Beklagte verpflichtet sich die unter Ziffer 3 genannte Summe niederzuschlagen, sofern der Kläger 260.000 EUR an die Beklagte zahlt.“ kein sog. Monte-Carlo-Vergleich abgeschlossen wurde. Durch die Formulierung „niederzuschlagen“ ist rechtlich kein Verzicht der Arbeitgeberin auf den Unterschiedsbetrag zu 2,7 Mio. EUR durch Zahlung der 260.000 EUR vereinbart worden. Denn der Begriff der Niederschlagung hat eine völlig andere Bedeutung, als der Begriff der Erfüllung und des Verzichtes. Der Begriff der Niederschlagung resultiert aus dem Verwaltungsrecht und stellt grundsätzlich eine verwaltungsinterne Maßnahme insoweit dar, dass eine verwaltungsorganisatorische Anordnung erfolgt, zur Abstandnahme von weiterer Beitreibung öffentlich-rechtlicher Forderungen nach erfolgloser Vollstreckung. Die Maßnahme dient grundsätzlich zur Vermeidung unnötigen und unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwandes. Eine Niederschlagung wirkt sich, anders als der Erlass, nicht auf den Bestand der Forderung aus. Die Forderung bleibt uneingeschränkt vollstreckbar; sie kann jederzeit bis zum Eintritt einer eventuellen Zahlungsverjährung neu beigetrieben werden.
Nach den Zeugenaussagen stand für das Gericht fest, dass der Mitarbeiter im Verlauf der Vergleichsgespräche und der Güterichterverhandlung seitens der Verantwortlichen der Arbeitgeberin ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, was unter dem Begriff der Niederschlagung zu verstehen sei. Der Mitarbeiter musste deshalb davon ausgehen, dass die Arbeitgeberin nach einem gewissen Zeitablauf erneut die Anfrage nach seinen Vermögensverhältnissen stellen wird. Dies war vorliegend geschehen und ein weiterer Zwangsvollstreckungsauftrag in die Wege geleitet worden.
Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 17.05.2022
Aktenzeichen: 6 Ca 851/21