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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Außertariflicher Angestellter – Vergütungsabstand zur höchsten tariflichen Vergütung darf gering sein

Außertariflicher Angestellter – Vergütungsabstand zur höchsten tariflichen Vergütung darf gering sein

In Fällen, in denen Tarifvertragsparteien als außertariflich diejenigen Angestellten definieren, deren geldwerte materielle Arbeitsbedingungen diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe überschreiten, ohne einen bestimmten prozentualen Abstand festzusetzen, genügt für Status und Vergütung des außertariflichen Angestellten jedes – auch nur geringfügige – Überschreiten. Die von Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) garantierte Tarifautonomie verbietet ein „Nachbessern“ tariflicher Bestimmungen durch die Gerichte zugunsten der einen oder anderen Seite.

Ein Mitarbeiter ist Mitglied der IG Metall und seit 2013 bei als Entwicklungsingenieur bei einer Arbeitgeberin beschäftigt. Seit Juni 2022 geschieht dies auf der Grundlage eines als „außertariflich“ bezeichneten Arbeitsvertrags. Im Streitzeitraum Juni 2022 bis Februar 2023 erhielt der Mitarbeiter eine monatliche Bruttovergütung von 8.212 EUR, während das Entgelt in der höchsten tariflichen Entgeltgruppe – hochgerechnet auf 40 Wochenstunden – 8.210,64 EUR brutto betrug. Im Betrieb der Arbeitgeberin finden die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens Anwendung, von deren persönlichem Geltungsbereich u.a. Beschäftigte ausgenommen sind, deren „geldwerte materielle Arbeitsbedingungen unter Berücksichtigung einer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 40 Stunden in einer Gesamtschau diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe regelmäßig überschreiten“.

Der Mitarbeiter hatte eine höhere Vergütung beansprucht und herzuleiten versucht, dass ein solches „Überschreiten“ in Anbetracht der prozentualen Abstände zwischen den tariflichen Entgeltgruppen nur angenommen werden könne, wenn das Monatsgehalt des außertariflichen Angestellten 23,45% über demjenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe liege. Dies ergebe bei ihm ein Bruttomonatsgehalt von 10.136,03 EUR, so dass die Arbeitgeberin verpflichtet sei, ihm für die Monate Juni 2022 bis Februar 2023 insgesamt 17.326,27 EUR brutto als weitere Vergütung nachzuzahlen.

Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hatte die Berufung des Mitarbeiters zurückgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.

Der Status als außertariflicher Angestellter begründet einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf eine Vergütung, die einen tarifvertraglich vorgeschriebenen Abstand zur höchsten tariflichen Vergütung wahrt. Die im Streitfall einschlägigen tariflichen Bestimmungen verlangen, dass die geldwerten materiellen Arbeitsbedingungen diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe regelmäßig überschreiten. Das ist bei dem Mitarbeiter der Fall, denn mangels abweichender Festlegungen der Tarifvertragsparteien genügt nach dem eindeutigen Tarifwortlaut jedes – und damit auch ein geringfügiges – Überschreiten des höchsten tariflichen Entgelts.

Angesichts dessen verbietet sich eine ergänzende Tarifauslegung wie sie dem Mitarbeiter vorschwebt. Wollen die Tarifvertragsparteien einen bestimmten prozentualen Abstand zwischen dem höchsten Tarifentgelt und dem Entgelt außertariflicher Beschäftigter, müssen sie eine entsprechende tarifliche Abstandsklausel hinreichend klar und deutlich in den Tarifvertrag aufnehmen. Die von Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Tarifautonomie verbietet ein „Nachbessern“ tariflicher Bestimmungen durch die Gerichte zugunsten der einen oder anderen Seite.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.10.2024

Aktenzeichen: 5 AZR 82/24