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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Arbeitszeugnis: Beurteilung in Tabellenform mit „Schulnoten“ unzulässig

Arbeitszeugnis: Beurteilung in Tabellenform mit „Schulnoten“ unzulässig

Der Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch eines Arbeitnehmers nach § 109 Gewerbeordnung (GewO) regelmäßig nicht dadurch, dass er Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis in einer an ein Schulzeugnis angelehnten tabellarischen Darstellungsform beurteilt. Die zur Erreichung des Zeugniszwecks erforderlichen individuellen Hervorhebungen und Differenzierungen in der Beurteilung lassen sich regelmäßig nur durch ein im Fließtext formuliertes Arbeitszeugnis angemessen herausstellen.

Der betreffende Mitarbeiter war bei der Arbeitgeberin seit 2008 als Elektriker beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund eigener Kündigung des Mitarbeiters Ende Juni 2018. Die Arbeitgeberin erteilte dem Mitarbeiter ein Arbeitszeugnis, welches tabellarisch und mit einzelnen Noten versehen – ähnlich einem Schulzeugnis – aufgebaut war.

Der Mitarbeiter war der Auffassung, die Arbeitgeberin habe seinen Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses nicht ordnungsgemäß erfüllt. Die tabellarische Darstellung der Leistungs- und Verhaltensbeurteilung nach stichwortartigen, mit „Schulnoten“ versehenen Bewertungskriterien sei unüblich und könne deshalb einen negativen Eindruck hervorrufen.

Das Arbeitsgericht hatte in erster Instanz der Klage teilweise stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hielt in der Berufungsinstanz die tabellarische Darstellung im Arbeitszeugnis noch für zulässig. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab jedoch der Revision des Mitarbeiters statt und verwies die Sache an das Landesarbeitsgerichts zurück.

Mit der im Arbeitszeugnis vorgenommenen Leistungs- und Verhaltensbeurteilung hat die Arbeitgeberin ihren Beurteilungsspielraum überschritten. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung des Mitarbeiters in Form einer tabellarischen Darstellung und Bewertung stichwortartig beschriebener Tätigkeiten nach „Schulnoten“ genüge den Anforderungen eines qualifizierten Zeugnisses nach § 109 GewO, hielt einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

Das qualifizierte Arbeitszeugnis ist ein individuell auf den einzelnen Arbeitnehmer zugeschnittenes Arbeitspapier, das dessen persönliche Leistung und sein Verhalten im Arbeitsverhältnis dokumentieren soll. Es stellt mithin eine individuell an den einzelnen Arbeitnehmer angepasste Beurteilung dar. Diesen Anforderungen wird regelmäßig nur ein individuell abgefasster Text gerecht.

Das Arbeitszeugnis als individuelle Beurteilung der beruflichen Verwendbarkeit des Arbeitnehmers muss dem Zeugnisleser Auskunft über Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis geben. Im Rahmen der Leistungsbeurteilung hat der Arbeitgeber die Art und Weise darzustellen, in der der Arbeitnehmer die ihm übertragenen Aufgaben erledigt hat. Dies erfolgt regelmäßig anhand von Bewertungskriterien wie Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten, Geschicklichkeit und Sorgfalt sowie Einsatzfreude und Einstellung zur Arbeit. Bei den Angaben über das Verhalten von Beschäftigten ist insbesondere ihr Verhältnis ggü. Mitarbeitern und Vorgesetzten sowie ihr Einfügen in den betrieblichen Arbeitsablauf zu beurteilen.

Der verständige Zeugnisleser erwartet, dass das Zeugnis eine Gewichtung der Leistungen und Eigenschaften enthält. Erst diese verleiht dem Zeugnis die Aussagekraft, die für die Erreichung des Zeugniszwecks notwendig ist. Für den Zeugnisleser ist es von hohem Interesse, welche Einzelmerkmale für das konkrete Arbeitsverhältnis von besonderer Bedeutung waren und über welche besonderen Eigenschaften, Kenntnisse und Fähigkeiten der Arbeitnehmer verfügt. Anhand dieser Angaben kann er erkennen, ob die durch das Zeugnis beurteilte Person über die erforderliche Qualifikation und Eignung für den von ihm zu besetzenden Arbeitsplatz verfügt. Diese Informationen haben maßgeblichen Einfluss auf seine Einstellungsentscheidung, sodass das berufliche Fortkommen eines Arbeitnehmers durch ein Arbeitszeugnis, das diese Aussagekraft nicht besitzt, unangemessen erschwert werden kann.

Ein Zeugnis, in dem – wie vorliegend – eine Vielzahl einzelner Bewertungskriterien gleichrangig nebeneinander aufgeführt und mit „Schulnoten“ bewertet wird, verfügt nicht über den erforderlichen Informationswert. Die prägenden Merkmale verlieren im Kontext der übrigen Bewertungskriterien ihre Bedeutung. Besondere Eigenschaften, Kenntnisse oder Fähigkeiten, die den Arbeitnehmer für neue Arbeitgeber interessant machen könnten, lassen sich daraus nicht ableiten.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27.04.2021

Aktenzeichen: 9 AZR 262/20