Arbeitnehmerüberlassung: Voraussetzungen des sog. Konzernprivilegs
Der Mitarbeiter war der Ansicht, zwischen ihm und dem Automobilunternehmen sei ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, weil er bei diesem Unternehmen im Rahmen einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung eingesetzt worden sei. Die vertragliche Zusammenarbeit zwischen dem Automobilunternehmen und der S GmbH sei nicht dienst- oder werkvertraglicher Natur gewesen, sondern als Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren. Außerdem behauptete der Mitarbeiter, auf dem Gelände des Automobilunternehmens in einen von diesem organisierten Arbeitsprozess eingegliedert gewesen zu sein und seine Weisungen von den Angestellten des Automobilunternehmens erhalten zu haben. Das Automobilunternehmen bestritt dies und meinte, der Mitarbeiter sei nicht im Wege der Arbeitnehmerüberlassung, sondern im Rahmen eines Werkvertrags mit der S-GmbH auf dem Werksgelände des Automobilunternehmens tätig gewesen.
Der Mitarbeiter klagte beim Arbeitsgericht auf Feststellung, dass zwischen ihm und dem Automobilunternehmen seit Mai 2017, hilfsweise seit Mai 2018 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen war. Hilfsweise für den Fall, dass dem ersten Antrag stattgegeben wird, beantragte er die Verurteilung des Automobilunternehmens, ihn als Sitzefertiger zu beschäftigen.
Die Annahme des Landesarbeitsgericht, ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Mitarbeiter und dem Automobilunternehmen sei bereits deshalb nicht gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 iVm. § 9 Abs. 1 AÜG zustande gekommen, weil diese Normen aufgrund der Regelung in § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG (sog. Konzernprivileg) keine Anwendung fänden, hielt der revisionsrechtlichen Prüfung durch das Bundesarbeitsgericht nicht stand.
Das Rechtsfolgensystem der §§ 10 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 AÜG ist nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG auf die Überlassung zwischen Konzernunternehmen i.S.d. § 18 AktG nicht anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt worden ist (sog. Konzernprivileg). Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts findet das Konzernprivileg auch dann keine Anwendung, wenn der Arbeitnehmer zwar nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt, wohl aber zum Zweck der Überlassung beschäftigt wird. Das ergibt sich aus einer insbesondere dem Sinn und Zweck der Vorschrift und dem Willen des historischen Gesetzgebers entsprechenden Auslegung der Vorschrift, der das Wortverständnis nicht entgegensteht.
Zwar spricht der Wortlaut der Bestimmung des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG („eingestellt und beschäftigt“) auf den ersten Blick dafür, dass das Konzernprivileg nur dann nicht zur Anwendung gelangt, wenn sowohl die Einstellung als auch die Beschäftigung zum Zweck der Überlassung erfolgt. Entgegen den Ausführungen des Landesarberitsgericht zwingt die Verwendung der Konjunktion „und“ jedoch nicht zu der Annahme, dass das Konzernprivileg nur dann ausgeschlossen ist, wenn beide Merkmale kumulativ vorliegen. Die Konjunktion „und“ kann auch eine Aufzählung oder Aneinanderreihung ausdrücken. Sie bedingt nicht immer und zwingend ein kumulatives Verständnis (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 29.06.2011, Az. 7 AZR 774/09).
Das Konzernprivileg ist danach bereits ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung eingestellt „oder“ beschäftigt wird. Die zwingenden Vorgaben des AÜG können nicht dadurch umgangen werden, dass der Arbeitsvertrag nach der Einstellung geändert und der Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung als Leiharbeitnehmer beschäftigt wird.